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Oettinger

© AFP

EU-Parlament: Oettinger erneuert sich

Günther Oettinger hat seine erste europapolitische Bewährungsprobe bestanden. Der designierte EU-Energiekommissar machte bei seiner Anhörung im Europaparlament am Donnerstag auf alle Fraktionen einen guten Eindruck.

Der Deutsche habe mit fachlicher Kompetenz, Offenheit und richtigen Ideen überzeugt, hieß es nicht nur bei Oettingers eigener Partei, der konservativen EVP, sondern auch bei Sozialdemokraten und Grünen. Oettinger kündigte an, dass er in seinem neuen Amt unabhängig von der Bundesregierung und deutschen Konzernen handeln werde.

Die Ökopartei umwarb der scheidende baden-württembergische Ministerpräsident mit einem klaren Bekenntnis zu einer „kohlendioxidfreien“ Zukunft. Die Klimaschutzziele der EU werde er ohne Wenn und Aber verwirklichen. Die Europäische Union hat sich konkret vorgenommen, bis 2020 ein Fünftel des Energieverbrauchs einzusparen und den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent zu erhöhen. So soll der CO2-Ausstoß im gleichen Zeitraum um 20 Prozent gegenüber 1990 sinken. Wenn sich die EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen diesem Ziel nicht freiwillig nähern, will Oettinger sie notfalls per Gesetz dazu zwingen. „Wir müssen 2012 prüfen, ob es freiwillig klappt“, sagte Oettinger.

Bei den Abgeordneten aus Mittel- und Osteuropa machte Oettinger mit der Zusage Punkte, die Energieversorgung in der EU künftig „solidarisch“ zu gestalten. Die geplante Ostsee-Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland wertete er als Sündenfall, weil die baltischen Staaten sowie Polen keinen Zugang dazu bekommen. Künftig müssten bilaterale Verträge zwischen einzelnen Liefer- und Empfängerstaaten offengelegt und mittelfristig durch von der EU-Kommission ausgehandelte europäische Lieferabkommen ersetzt werden. Oettinger will sich zudem dafür einsetzen, die europäische Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen mittelfristig zu vermindern. Dafür brauche die EU die so genannte Nabucco-Pipeline, die Gas vom kaspischen Meer nach Europa bringen soll.

Frühere Bekenntnisse zur in der EU umstrittenen Kernenergie wollte Oettinger am Donnerstag nicht mehr wiederholen. In seinem künftigen Amt verstehe er sich nicht als „Botschafter, sondern als Moderator für die Kernkraft“, sagte er. In dieser Rolle will Oettinger europäische Sicherheits- und Umweltstandards für die Entsorgung von Atomabfällen durchsetzen.

Befürchtungen, in Brüssel als Handlanger der deutschen Energiekonzerne zu agieren, trat Oettinger explizit entgegen. „Trauen Sie mir die notwendige Unabhängigkeit bitte zu“, rief er dem Grünen-Parlamentarier Claude Turmes zu, als der ihm enge Kontakte zu den Chefs von RWE und Eon vorhielt. Der luxemburgische Grüne, der sich als guter Kenner und zugleich scharfer Kritiker der Energiewirtschaft einen Namen gemacht hat, begrüßte die „grünen Ideen“ Oettingers.

Unterdessen eskaliert der Konflikt um die designierte bulgarische EU-Kommissarin Rumiana Jeleva. Das EU-Parlament fordert von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso offiziell eine Bestätigung ihrer Rechtschaffenheit. Damit ist unklar, ob das Parlament überhaupt wie geplant am 26. Januar über die 26 Kommissare abstimmen kann. Im Tauziehen um Jeleva erhielt Barroso laut Diplomaten ein Schreiben von EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek. Der Pole bittet Barroso um eine Bestätigung, dass die bulgarische Kandidatin die Erklärung zu ihren finanziellen Interessen korrekt ausfüllte. Dieses Formular müssen alle Anwärter für einen Posten in der Brüsseler Kommission veröffentlichen. Der Streit dreht sich darum, ob Jeleva private Geschäftsinteressen in ihrer Heimat verheimlichte. Parlamentarier erwarten eine rasche Antwort Barrosos. HB/mit dpa

Ruth Berschens[Brüssel]

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