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EU-Ratspräsident: Wenn Obama anruft

Der neue Ratspräsident Van Rompuy ahnt, dass er in der Europäischen Union nicht immer die erste Geige spielen wird.

Eine erste Kostprobe seines Humors lieferte Herman Van Rompuy bereits am Donnerstagabend. Da waren der 62-jährige Belgier und die Britin Catherine Ashton gerade von den europäischen Staats- und Regierungschefs als neues EU-Führungsduo bestimmt worden. Also stellte ein Journalist die Frage, wen Barack Obama denn demnächst anrufen solle, wenn er mit der EU sprechen wolle – sozusagen von Präsident zu Präsident. Oben auf dem Podium, wo neben Ashton und Van Rompuy auch noch der gegenwärtige EU-Vorsitzende Fredrick Reinfeldt und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso saßen, herrschte erst einmal betretenes Schweigen. „Ich warte ungeduldig auf den ersten Anruf“, spottete Van Rompuy zurück – wohl wissend, dass er im europapolitischen Alltagsgeschäft nicht immer die erste Geige spielen wird.

Die Frage, wer denn nun eigentlich der „Präsident“ der Europäischen Union ist, hat ihre Berechtigung. Denn im Lissabon-Vertrag, dem Van Rompuy seine Berufung zum ständigen EU-Ratspräsidenten verdankt, wird die Frage nach dem Handlungsspielraum des neuen Mannes an der EU-Spitze offengelassen. Der Jesuitenschüler Van Rompuy ist aber auf dieses Manko offenbar bereits eingestellt. Dies lässt seine schlagfertige Antwort nach Obamas europäischem Gesprächspartner erahnen.

Van Rompuys Aufgabe wird ab 1. Januar darin bestehen, die EU-Gipfel vorzubereiten und zu leiten. Seine Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre, sie kann aber auf fünf Jahre verlängert werden. Das gibt dem bisherigen belgischen Ministerpräsidenten genügend Zeit, in sein neues Amt hineinzuwachsen. Die meiste Zeit wird er wohl mit der Konsenssuche unter den EU-Mitgliedsländern verbringen. Streitpunkte gibt es unter den 27 Staaten genug – etwa beim Klimaschutz zwischen Ost- und Westeuropa oder der Russland-Politik. Van Rompuy versicherte zwar, dass er sich in seiner neuen Rolle in erster Linie als „Vermittler“ verstehe. Wer ihn in Belgien aber kennt, ist sich jedoch sicher, dass er in seinem neuen Amt mehr sein wird als ein „Hausmeister“ der europäischen Staats- und Regierungschefs. Schließlich ist es ihm in seinem Heimatland gelungen, den Dauerkonflikt zwischen Flamen und Wallonen zu entschärfen.

Unter Diplomaten gilt unterdessen der Posten der „EU-Außenministerin“ als das wichtigere der beiden neuen Ämter. Die 53-jährige Catherine Ashton wird als designierte Chef-Außenpolitikerin ein milliardenschweres Jahresbudget verwalten und den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst leiten, der bis zu 8000 Mitarbeiter zählen soll. Die „Baroness Ashton of Upholland“ dürfte in ihrem neuen Amt unter anderem vom Nahostkonflikt stark in Anspruch genommen werden. Obwohl sie über keine große diplomatische Erfahrung verfügt, hat sie ihr Verhandlungsgeschick als EU-Handelskommissarin schon unter Beweis gestellt.

Trotz aller Vorschusslorbeeren für Van Rompuy und Ashton gilt das Duo als personalpolitische „Minimallösung“. Noch unmittelbar vor dem EU-Sondergipfel am Donnerstag hatte Schwedens Außenminister Carl Bildt noch davor gewarnt, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen würden. Und kaum war das Duo auf den Schild gehoben, wurde angesichts der Personalentscheidung auch schon Unmut laut. So bezeichneten die Grünen im Europaparlament die Besetzung der beiden Brüsseler Spitzenämter am Freitag als „glanzlos“. Ihr Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit sparte nicht mit Kritik: „Die Staats- und Regierungschefs haben ihren Kurs der Schwächung der europäischen Institutionen konsequent fortgesetzt.“ Der Vorwurf ist auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichtet, die beim EU-Sondertreffen alle taktischen Manöver ihrer Amtskollegen mitmachte.

Erst im vergangenen Monat hatte Merkel die höchst umstrittene Entscheidung getroffen, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger als deutschen EU-Kommissar nach Brüssel zu schicken. Am Ende des Gipfels verteidigte sie sich: „Ich gehöre zu den Menschen, die wissen, dass Personen in ihre Aufgaben hineinwachsen können.“

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