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EU-Russland: Frostiger Gipfel

Beim EU-Russland-Treffen in Sibirien wollen die Europäer mehr Energiesicherheit durchsetzen – doch Moskau blockiert die Pläne. Doch das ist nur einer von vielen Streitpunkten.

Im Fernen Osten Russlands, an der Grenze zu China, liegt Chabarowsk. Warum Kremlchef Dmitri Medwedew ausgerechnet in die sibirische Stadt zum EU-Russland-Gipfel einlud, dürfte sein Geheimnis bleiben. Möglicherweise geht es dem Präsidenten darum, seinen Gesprächspartnern aus der EU die geografische Ausdehnung Russlands vor Augen zu führen. Allerdings steht die Zahl der Flugstunden, die die Brüsseler Delegation für den Weg nach Chabarowsk benötigte, in einem krassen Missverhältnis zu den erwarteten Ergebnissen des zweitägigen Treffens.

Das Abendessen am Donnerstag mit Medwedew, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Tschechiens Präsident Vaclav Klaus bot zunächst die Gelegenheit, die jüngsten atmosphärischen Störungen im Verhältnis zwischen beiden Seiten auszuräumen. Anfang des Monats hatte die Europäische Union eine „Östliche Partnerschaft“ mit sechs ehemaligen Sowjetrepubliken ins Leben gerufen. Russland befürchtet nun, in den Ex-Sowjetrepubliken an Einfluss zu verlieren. Dass der EU-Vorsitz bei den Gesprächen in Chabarowsk durch den tschechischen Präsidenten Klaus vertreten wird, dürfte für die Gesprächsatmosphäre eher von Vorteil sein: Klaus gilt zwar als Euroskeptiker, dafür wird ihm aber ein gutes Verhältnis zu Medwedew nachgesagt. Allerdings muss bezweifelt werden, ob die gute Chemie zwischen dem tschechischen und dem russischen Präsidenten ausreicht, um bei der Arbeitssitzung an diesem Freitag die zahlreichen Streitpunkte zwischen der EU und Russland aus dem Weg zu räumen:

Energie

Die EU befürchtet, dass es im nächsten Winter wieder zu einer russisch-ukrainischen Gaskrise kommen könnte. Zu Beginn dieses Jahres hatte Russland der Ukraine den Gashahn abgedreht, vor allem ost- und südosteuropäische Länder waren von dem Lieferstopp betroffen. Um Versorgungsengpässe künftig zu verhindern, möchte die EU mit Russland über die Einrichtung eines Frühwarnsystems verhandeln.

Während des Gasstreits im vergangenen Winter machte die EU-Kommission Russland und die Ukraine gleichermaßen für die Lieferengpässe verantwortlich. Anschließend vereinbarten EU-Vertreter im März mit dem Kiewer Präsidenten Viktor Jutschtschenko und Regierungschefin Julia Timoschenko, dass Brüssel die Ukraine bei der Modernisierung ihres Gastransit-Netzes unterstützt. Dies rief prompt den russischen Regierungschef Wladimir Putin auf den Plan. Wenn Moskau in die Modernisierung des ukrainischen Netzes nicht einbezogen werde, müsse er die Beziehungen seines Landes zur EU überdenken, drohte Putin. Russland will aus gutem Grund nicht aus der Vereinbarung zwischen Brüssel und der Ukraine ausgeschlossen werden – schließlich fließen 80 Prozent des russischen Gases, das für EU-Länder bestimmt ist, im Transit über ukrainisches Gebiet.

Partnerschafts- und Kooperationsabkommen

Bereits seit Jahren verhandelt die Europäische Union mit Russland über eine Erneuerung des Abkommens aus dem Jahr 1997 – beide Seiten verheddern sich dabei stets aufs Neue in den Details. Auch in Chabarowsk werden nur geringe Fortschritte erwartet. Dies hängt unter anderem mit den strittigen Energiefragen zusammen: Die EU beharrt auf der „Energiecharta“, die ihr mehr Liefersicherheit garantieren soll. Russland weigert sich aber, die Charta zu ratifizieren und in dem neuen Partnerschaftsabkommen mit der EU festzuschreiben.

Protektionismus

Die Europäer werfen Russland vor, wegen der Wirtschaftskrise seit dem vergangenen November Schutzzölle für zahlreiche EU-Exportartikel zu erheben – darunter Autos, Stahlprodukte, Milch und Butter. Allerdings ist die Erwartung gering, dass Russland in dem Streit um die Zölle große Zugeständnisse macht.

Georgien

Der Georgien-Krieg vom vergangenen Sommer belastet das Verhältnis zwischen der EU und Russland weiter. Zwar haben sich die Beziehungen neun Monate nach dem Konflikt im August wieder entspannt. Die EU verlangt aber weiterhin, dass sich russische Truppen aus den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien gemäß dem von der EU vermittelten Waffenstillstand zurückziehen.

Dagegen möchte die russische Seite bei dem Treffen im Fernen Osten die Unruhen in Moldawien vom April ansprechen. Moskau wirft dem EU-Mitglied Rumänien vor, die Proteste gegen den Wahlsieg der Kommunisten in der Ex-Sowjetrepublik angeheizt zu haben.

Sicherheitspolitik

Medwedew hatte im vergangenen Jahr eine neue euro-atlantische Sicherheitsarchitektur vorgeschlagen – offenkundig auch als Alternative zur Nato. Der Kremlchef erwartet beim Gipfel die Unterstützung der Europäer für sein Projekt. Die EU kritisiert allerdings, dass Medwedews Vorschlag bislang unausgegoren sei.

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