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Der türkische Präsident Erdogan droht der EU indirekt mit einem Abbruch der Gespräche.

© Alexander Zemlianichenko/rtr

EU-Türkei: Zypern-Frage überlagert die Beitrittsgespräche

Präsident Erdogan verlangt eine Fortsetzung der Verhandlungen mit der EU. Aber dem steht auch die Weigerung der Türkei entgegen, die Souveränität Zyperns anzuerkennen.

Die fast schon ultimative Aufforderung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an die EU, sie solle neue Verhandlungskapitel im Beitrittsprozess der Türkei zur Europäischen Union eröffnen, stellt beide Seiten vor große Probleme. Tatsächlich sind die Gespräche, die 2004 offiziell begonnen haben, spätestens seit den Massenverhaftungen von vermeintlichen oder tatsächlichen Regimegegnern nach dem Putsch in der Türkei zum Erliegen gekommen. Nach Ansicht der EU-Kommission sind grundlegende Freiheitsrechte wie die der politischen Betätigung und die Pressefreiheit nicht mehr gewährleistet. Die Drohungen Erdogans, auf dem Weg über eine Volksabstimmung die Todesstrafe einzuführen, würden, wäre ein solches Plebiszit erfolgreich, ohnedies zum endgültigen Abbruch der Aufnahmeverhandlungen führen.

Zypern blockiert

Tatsächlich handelt es sich aber nicht um Verhandlungen im klassischen Sinne. Die 35 Beitrittskapitel umfassen den so genannten „acquis communautaire“, das grundlegende Regelwerk der Europäischen Union. Sie sind inhaltlich nicht disponibel. Ein Beitrittskandidat muss die darin enthaltenen Voraussetzungen erfüllen, um EU-Mitglied werden zu können. Lediglich eines der 35 Kapitel, das über Wissenschaft und Forschung, ist bislang abgehandelt. 15 weitere sind zum Teil seit mehreren Jahren eröffnet, können aber aus verschiedenen Gründen nicht weiter diskutiert werden. Das liegt auch am Veto des EU-Mitglieds Zypern, das von der Türkei staatlich nicht anerkannt ist und deshalb die Gespräche blockiert. Die Negation der staatlichen Souveränität der Mittelmeerinsel durch Ankara hat vor allem für den Handel einschneidende Folgen. So dürfen zypriotische Schiffe in türkischen Häfen Ladung weder löschen noch aufnehmen.

Bewegung nach dem Flüchtlingsabkommen

Die Nicht-Anerkennung durch die Türkei ist eine Reaktion auf die im Jahr 2004 an den Zypern-Griechen gescheiterte Föderation beider Teile der Insel in einem gemeinsamen Staat. Diese Lösung hatte der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgehandelt. Der türkische Teil der Insel hatte dem zugestimmt. Nach übereinstimmender Ansicht von Diplomaten lässt sich die Kontroverse um Zypern nur über die Vereinten Nationen beilegen.

Im Zuge des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei wurden im Dezember 2015 und im Juni 2016 neue Gespräche über die Wirtschafts- und Währungspolitik aufgenommen. So sehr die EU auch offiziell ihre Befriedigung über das Scheitern des Putsches gegen Erdogan zum Ausdruck brachte, ist sie tatsächlich wegen der Beschränkung fundamentaler Grundrechte in der Türkei seitdem auf Distanz zum Beitrittsprozess gegangen. So lange diese Restriktionen anhalten, sind neue Kontakte kaum denkbar. Tatsächlich liegt es also an der Türkei und nicht an der EU, ob es Fortschritte bei den Verhandlungen geben wird.

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