zum Hauptinhalt

EU-Vertrag: Polnische Medien reagieren mit Häme auf Karlsruher Urteil

Am Fahrplan zur Ratifizierung des EU-Vertrages soll sich nichts ändern – trotz des Karlsruher Urteils. Während in Brüssel Erleichterung vorherrscht, fühlen sich EU-Skeptiker in Polen bestätigt.

Brüssel atmet auf. Im Europaparlament, im EU-Ministerrat, in dem am Mittwoch Schweden den Vorsitz für die nächsten sechs Monate übernahm, und in der EU-Kommission zeigten sich alle erleichtert: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Vortag den Weg für den neuen EU-Reformvertrag frei gemacht und den Gegnern der Einigung Europas damit eine Abfuhr erteilt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte zwar eine stärkere Einbindung des Bundestags und des Bundesrates bei EU-Entscheidungen verlangt. Bis dies gesetzlich umgesetzt ist, darf der Lissabon- Vertrag nicht endgültig ratifiziert werden. Entscheidend ist aber, dass die Richter mit dem roten Roben die Übereinstimmung von Lissabon-Vertrag und Grundgesetz bestätigt haben. „Das ist eine wichtige Botschaft für das bevorstehende irische Referendum“, sagte Elmar Brok (CDU), der als Vertreter des Europaparlaments bei der Ausarbeitung des neuen EU-Vertrags beteiligt war. Brok und der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen waren sich einig, dass das Karlsruher Urteil auch ein wichtiges politisches Signal an die europaskeptischen Präsidenten Lech Kaczynski in Polen und Vaclav Klaus in Tschechien ist.

In Berlin streben die Bundestagsfraktionen eine rasche Umsetzung der Vorgaben aus Karlsruhe an. Die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne nahmen das Angebot der Koalitionsfraktionen an, gemeinsam ein neues Begleitgesetz zum EU-Vertrag auszuarbeiten. Die Europapolitiker der Fraktionen sind sich einig, dass der vorgesehene Zeitplan für die Beratungen über die Sommerpause eingehalten werden kann. Die deutsche Ratifizierung des EU-Vertrags wäre dann noch rechtzeitig vor dem zweiten Referendum über den Reformvertrag in Irland vollzogen.

Unterdessen fühlten sich die EU-Skeptiker in Polen durch das Karlsruher Urteil bestätigt. Die Deutschen hätten entschieden, dass die Nation wichtiger sei als Brüssel, titelte die Tageszeitung „Polska“ am Mittwoch. Das Verfassungsgericht habe den Vertrag von Lissabon praktisch begraben, war in dem Blatt reichlich plakativ zu lesen. Andere polnische Kommentatoren argumentierten differenzierter, doch kamen alle Leitartikler zu dem Ergebnis, dass der Richterspruch einen weiteren Dämpfer für das Ratifizierungsverfahren bedeute. Mit einer gewissen Genugtuung wird in Polen zur Kenntnis genommen, dass ausgerechnet in Deutschland, das sich gegenüber den Regierungen in anderen Ländern sehr für den Vertrag stark gemacht hat, nachgearbeitet werden muss. Aus den Reihen der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit ist allerdings zu hören, dass das Karlsruher Urteil keinen Einfluss auf das Verhalten von Präsident Lech Kaczynski haben werde. Das Staatsoberhaupt hat immer wieder erklärt, dass er mit seiner Unterschrift unter den Vertrag bis nach dem Referendum in Irland warten werde. Daran habe sich nichts geändert.

Nach dem Karlsruher Urteil schrieben zwar einige euroskeptische irische Blogger, Deutschland habe mit dem Richterspruch die Ratifizierung suspendiert, aber die proeuropäische „Irish Times“ meldete: „Deutsches Gericht weist Klage gegen Lissabon-Vertrag zurück“. Irland wird vermutlich am 2. Oktober das Referendum wiederholen, und derzeit deuten alle Zeichen auf eine Zustimmung hin. Die irische Regierungskoalition dürfte bis dahin zusammenhalten. Haushaltskürzungen werden erst nach dem Referendum bekannt gegeben, um die Wähler nicht zu erzürnen. Zudem machen Rezession und Finanzkrise die Iren schutzbedürftiger. „Die Wähler haben begriffen, dass man das Europareferendum nicht dazu benutzen darf, die Regierung abzustrafen“, meinte Daniel Thomas, Direktor des europäischen Instituts in Dublin. mit dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false