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Der lettische EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis.

© dpa

EU-Vize Valdis Dombrovskis zu Griechenland: "Athen kann zur Stabilität zurückkehren"

Nach den Worten des EU-Vizekommissionspräsidenten Valdis Dombrovskis muss sich Athen auch weiter auf engmaschige Kontrollen durch die Geldgeber einstellen. Die nächsten Hilfszahlungen würde "davon abhängen, ob es tatsächlich zu Fortschritten kommt", sagt er im Tagesspiegel-Interview.

Griechenland steht vor Neuwahlen, als möglicher Wahltermin gilt der 20. September. Besteht die Gefahr, dass damit die Reformen zum Stillstand kommen, die Athen in den kommenden Wochen liefern muss?

Die bevorstehenden Neuwahlen sind eine innenpolitische Angelegenheit Griechenlands. Auf der anderen Seite handelt es sich bei der neuen Vereinbarung mit den Geldgebern, die erst vor wenigen Tagen von den griechischen Behörden unterzeichnet wurde, um eine Einigung mit dem griechischen Staat – unabhängig von der Regierung.

Diese Einigung ist die Grundlage für den Reformprozess in Griechenland. Der Schlüssel liegt darin, dass die griechischen Behörden die vereinbarten Reformen umsetzen – und zwar gemäß dem Zeitplan in der Vereinbarung, dem „Memorandum of Understanding“. Hinzu kommt, dass auch die Vertreter der meisten Oppositionsparteien im griechischen Parlament den Reformen, welche im Detail im Memorandum aufgelistet werden, zugestimmt haben.

Sie sind also immer noch zuversichtlich, dass der griechische Regierungschef Alexis Tsipras bis Oktober das Rentensystem umkrempeln kann, wie es im Memorandum vorgesehen ist?

Im Memorandum ist deutlich dargelegt, welche Maßnahmen erforderlich sind, um ein nachhaltiges Rentensystem zu entwickeln, das eine übersichtlichere Struktur hat. Dabei handelt es sich um einen laufenden Prozess, bei dem ehrgeizige Schritte nötig sind, um die grundlegenden Probleme des Rentensystems zu beseitigen. Jeder Schritt wird von den Institutionen – der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds – überwacht werden, und die nächsten Hilfszahlungen werden davon abhängen, ob es tatsächlich zu Fortschritten kommt.

Offenbar hat sich an der griechischen Verhandlungsführung einiges geändert, seit der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos seinen umstrittenen Vorgänger Yanis Varoufakis ersetzt hat. Sie haben Tsakalotos persönlich getroffen. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Ich habe den neuen Finanzminister als ziemlich professionell erlebt, und sicherlich ist er kooperativer als sein Vorgänger. Seit er das Amt übernommen hat, haben wir einen Wandel in der Haltung registriert, was uns wiederum ermöglicht hat, in der Reformagenda voranzukommen. Die Verhandlungen machten erhebliche Fortschritte, und zahlreiche Hindernisse bei den Gesprächen wurden aus dem Weg geräumt. Es ist lobenswert, dass der neue griechische Finanzminister bislang eine derart positive Rolle gespielt hat. Ich hoffe, dass wir in diesem Sinne weitermachen können.

Mitte des Monats haben sich die Euro-Finanzminister überraschend schnell auf ein neues Hilfspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro geeinigt. Kam die Einigung deshalb so schnell zustande, weil Deutschland mit seiner Forderung, möglichst harte Auflagen für Athen durchzusetzen, plötzlich isoliert dastand?

Das ist überhaupt nicht der Fall. Das Tempo bei den Verhandlungen hat neben der veränderten Haltung der griechischen Regierung auch damit zu tun, dass das griechische Parlament ein ganzes Bündel von vorrangigen Reformmaßnahmen beschlossen hat. Letztlich kam die Entscheidung über das dritte Hilfspaket im Einvernehmen aller Euro-Finanzminister zustande.

Sie sind innerhalb der EU-Kommission für eine Arbeitsgruppe verantwortlich, die Griechenland bei einem effektiveren Einsatz der EU-Gelder unter die Arme greifen soll. Wo sehen Sie Hindernisse für einen zügigen Einsatz der europäischen Hilfsgelder?

Das größte Hindernis für den Einsatz von EU-Mitteln lag in den vergangenen Monaten in der wirtschaftlichen und finanziellen Instabilität Griechenlands sowie der mangelnden Haushaltsliquidität. Mit dem neuen Hilfsprogramm aus dem Krisenfonds ESM kann Athen jetzt auf den Pfad der Stabilität zurückkehren. Ob die zur Verfügung stehenden EU-Mittel abgerufen werden, hängt in großem Maße davon ab, ob die griechischen Behörden sich schnell abstimmen. Die Kommission tut alles, was in ihrer Macht steht, um den griechischen Behörden den Zugang zu EU-Mitteln zu erleichtern.

Wir haben beispielsweise vorgeschlagen, dass EU-Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Euro einem Mitgliedsland schneller als bisher zur Verfügung gestellt werden können. Aber Griechenland benötigt auch die entsprechenden technischen Kapazitäten. Die EU-Kommission bietet Ländern wie Griechenland technische Hilfe bei Strukturreformen an, die auf Anfrage zum sinnvollen Einsatz von EU-Geldern in Anspruch genommen werden kann. Diese Hilfe bietet die Kommission auch beim Aufbau eines effizienteren Steuersystems oder der Bekämpfung von Betrug und Korruption an.

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