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© AFP

EU-Vorsitz: Zapatero: Alles nach Plan

Spaniens Premier Zapatero möchte EU zu Investitionen zwingen – aber er hat Probleme im eigenen Land.

Mehr Wachstum, gemeinsame Wirtschaftspolitik und mehr Macht für die EU-Kommission. Mit diesen Zielen will der turnusmäßige EU-Ratsvorsitzende, Spaniens Ministerpräsident José Luis Zapatero, die Europäische Union voranbringen. In den kommenden Monaten sollen die Staats- und Regierungschefs die neue „Strategie 2020“ für die wirtschaftliche Entwicklung in der kommenden Dekade verabschieden. Nach Zapateros Vorstellungen sollen zudem Strafen gegen jene Mitgliedstaaten verhängt werden, welche den Vorgaben des neuen EU-Wirtschaftsplanes nicht nachkommen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) lehnte Sanktionen am Samstag ab.

In der Lissabon- Strategie hatte die EU im Jahr 2000 beschlossen, die Union bis 2010 zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Zapatero bezeichnete diesen Plan nun als weitgehend gescheitert, weil die Ziele nicht verbindlich gewesen und die Erfüllung in den meisten Staaten nur auf dem Papier stattgefunden habe. In Lissabon war beispielsweise beschlossen worden, bis 2010 eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent zu erreichen und für Forschung sowie Technologie wenigstens drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes auszugeben.

Es sei „absolut notwendig“, dass die neue „Strategie 2020“, die Europas Erholung von der Krise beschleunigen soll, verbindlic sei, sagte Zapatero zum offiziellen Auftakt der spanischen EU-Präsidentschaft, die Madrid turnusgemäß bis Ende Juni übernommen hat. Ähnlich wie der Euro-Stabilitätspakt, mit dem die Neuverschuldung überwacht und Sünder sanktioniert werden können, sollte es künftig auch bei Verstößen gegen den gemeinsamen Wirtschaftskurs Sanktionen geben. Denkbar sei etwa die Kürzung von Subventionen. Auf jeden Fall brauche man „Anreize“ und „korrigierende Maßnahmen“. Und die EU-Kommission brauche dafür „neue Kompetenzen“.

Ob Zapatero mit seiner Idee, der EU-Kommission weitere Macht zu übertragen, großes Gehör finden wird, ist jedoch fraglich. Die Abgabe von weiteren Kompetenzen an Brüssel ist derzeit innerhalb der EU, die jahrelang um den gerade in Kraft getretenen EU-Reformvertrag gerungen hat, nicht gerade populär.

Zudem gilt Spanien bislang nicht gerade als europäischer Musterknabe, wenn es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht. Die Arbeitslosigkeit hat in Spanien die Marke von 20 Prozent erreicht, bei weiter steigender Tendenz. Das ist mehr als doppelt so viel wie der EU-Durchschnitt. Auch die Quote der arbeitslosen jugendlichen Spanier im Alter bis 25 Jahren ist beängstigend hoch – sie liegt bei 42 Prozent. Unter den vier Millionen Joblosen befinden sich mehr als eine Million Menschen, die nicht einmal Anrecht auf Arbeitslosengeld haben.

Drei von vier Spaniern bezeichnen in Umfragen die wirtschaftliche Situation als schlecht bis sehr schlecht. Dass die gesellschaftliche Stimmung trotzdem noch ruhig bleibt, ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass in diesem südeuropäischen Land die Familien besser zusammenhalten als in Nordeuropa.

Lange Zeit galten Spaniens Wachstumsraten als vorbildlich innerhalb der EU. Mit mehr als 120 Milliarden Euro Netto-Subventionen aus der Brüsseler Kasse schaffte es Madrid, zum EU-Wohlstandsdurchschnitt aufzuschließen. Moderne Verkehrswege im ganzen Königreich zeugen von diesem Wandel: Wo vor 25 Jahren noch Eselskarren das Straßenbild in der Provinz prägten, ziehen sich jetzt breite Autobahnen und Schnellbahnen durch die Landschaft. Doch Zapatero und seine Vorgänger haben den schnellen Wohlstand auf Sand gebaut. Der Motor brummte vor allem dank eines Immobilienrausches. Als vor zwei Jahren die Spekulationsblase platzte, folgte dem Höhenflug der tiefe Fall. Spanien gehört zudem laut Prognose der Brüsseler Kommission zu jenen EU-Ländern, die als Letzte der Wirtschaftsmisere entkommen werden. Für 2010 ist weiter Schrumpfung angesagt, während es bei den meisten europäischen Nachbarn langsam aufwärtsgehen soll.

Auch in anderen Bereichen taugt Spanien nicht als Modell für die gesamte EU. Dies wird bei der mangelhaften Umsetzung von EU-Vorgaben deutlich, etwa beim Klimaschutz, der Einhaltung der Binnenmarkt-Regeln oder bei Zukunftsinvestitionen. In einem Monat, auf dem Wirtschafts-Sondergipfel in Brüssel, wird sich erstmals zeigen, wie ernst es die EU mit ihrer neuen „Strategie 2020“ meint. Dort wird Zapatero übrigens im Schatten des neuen ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy stehen, der alle Gipfel leitet. Konflikte innerhalb der europäischen Doppelspitze aus dem Sozialdemokraten Zapatero und dem Christdemokraten Rompuy sind dabei mehr als wahrscheinlich.

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