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Grund zur Hoffnung. Irland hat harte Sparrunden hinter sich, die Wirtschaft wurde umgekrempelt. Ende 2013 will Dublin wieder an die Finanzmärkte zurückkehren. Foto: Peter Muhly/AFP

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EU: „Wir werden unsere Schulden zurückzahlen“

Am 1. Januar übernimmt Irland den Vorsitz der EU. Im Interview erklärt Irlands Europaministerin Lucinda Creighton, warum ihre Landsleute nicht in Feierlaune sind und mit welchen Mitteln sich die hohe irische Gesamtverschuldung reduzieren ließe.

Frau Creighton, am 1. Januar gehört Irland genau 40 Jahre der EU an, gleichzeitig übernimmt Dublin für ein halbes Jahr den EU-Vorsitz. Sind die Iren in Feierlaune?

Von Feierlaune kann man derzeit nicht sprechen. Wir haben eine schwierige Zeit hinter uns, seit die Krise Irland im Jahr 2008 getroffen hat. Seither mussten wir mehrere Sparhaushalte verabschieden, die erhebliche Auswirkungen für die Bevölkerung hatten. Dennoch ist es angebracht, einige Errungenschaften zu feiern: Irland hat einen langen Weg zurückgelegt, seit wir 1973 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetreten sind. Wir waren damals der ärmste Mitgliedstaat. Wir haben unsere Wirtschaft umgekrempelt, und die Mitgliedschaft hat Irland sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich sehr gutgetan. Das alles gilt es zu feiern – aber ich bin nicht sicher, dass es Partys geben wird.

In Dublin ist Anfang Dezember der sechste Sparhaushalt in Folge verabschiedet worden. Wie lang werden die Iren das Sparen noch geduldig ertragen?

Wir nähern uns dem Ende der Phase permanenter Kürzungen. Wir haben das Konsolidierungsprogramm, zu dem wir uns im Gegenzug für die Rettungsmaßnahmen der EU verpflichtet haben, zu 85 Prozent abgearbeitet. Allerdings ist der letzte Haushalt angesichts der Einsparungen auch der schwierigste.

Lucinda Creighton (32) ist seit März 2011 irische Europaministerin. Sie gehört der konservativen Regierungspartei Fine Gael an, die mit Enda Kenny den Ministerpräsidenten stellt.
Lucinda Creighton (32) ist seit März 2011 irische Europaministerin. Sie gehört der konservativen Regierungspartei Fine Gael an, die mit Enda Kenny den Ministerpräsidenten stellt.

© REUTERS

Mit diesem Sparetat will es Irland schaffen, Ende 2013 wieder an die Finanzmärkte zurückzukehren und sich vom Euro-Rettungsschirm zu lösen.

Es gibt zwei entscheidende Fixpunkte für uns: Erstens die Rückkehr an die Märkte im kommenden Jahr. Zweitens wollen wir 2015 das von der EU verlangte Defizitziel einer Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen, damit ständige Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen nicht mehr nötig sind. Unsere Wirtschaft befindet sich wieder auf Wachstumskurs. Im vergangenen Jahr betrug das Wachstum 1,4 Prozent. In diesem Jahr erwarten wir 0,9 Prozent. Das Tempo ist langsam, aber die Richtung stimmt.

In den kommenden sechs Monaten muss während des irischen EU-Vorsitzes eine Einigung unter den 27 Mitgliedstaaten über den nächsten langfristigen EU-Haushalt zustande kommen, der rund eine Billion Euro beträgt. Welche Verhandlungsposition nimmt Irland als Nettoempfänger ein?

Unsere Verhandlungsposition ähnelt der Frankreichs, aber auch derjenigen der sogenannten Freunde der Kohäsion – also jener EU-Mitglieder vor allem in Osteuropa, die von den Kohäsions- und Strukturfonds der EU profitieren. Irland befürwortet die EU-Agrarpolitik als Wachstumstreiber. Und obwohl wir kaum noch Geld aus den Kohäsionsfonds bekommen, unterstützen wir es, dass Länder in Osteuropa ähnlich gefördert werden wie wir in den letzten 40 Jahren. Deshalb wollen wir keine weiteren Kürzungen, die über den Vorschlag hinausgehen, den Ratschef Van Rompuy beim letzten Haushaltsgipfel im November vorgelegt hat.

Ein großer Teil Ihrer Staatsschulden ist durch die Bankenrettung aufgehäuft worden. Künftig soll eine europäische Bankenaufsicht einem Missmanagement der Geldinstitute einen Riegel vorschieben. Befürworten Sie diesen Schritt?

Absolut. Als unsere Banken 2008 zusammenbrachen, hatte das vor allem mit einer fehlenden Aufsicht zu tun. Mit einer gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht werden künftig jene Geschäftspraktiken unterbunden, die in Finanzinstituten in Europa und weltweit zu beobachten waren. Wir werden eine striktere Kontrolle über die Geldhäuser bekommen; damit wird sich hoffentlich eine Katastrophe, wie wir sie erleben mussten, in der Euro-Zone und der EU nicht wiederholen.

Rechnet Dublin damit, dass ein Teil der Staatsschulden durch den Euro-Rettungsschirm ESM übernommen wird?

Uns ist klar, dass der ESM keine Wohltätigkeitsorganisation ist, sondern sich für die EU-Mitglieder und Investoren rechnen muss. Dennoch würden wir gerne einen Weg finden, wie der ESM uns dabei helfen könnte, eine übergroße Last zu mindern, die dem Steuerzahler in diesem Land wegen der Schieflage privater Banken aufgebürdet wurde. Uns ist bewusst, dass dies in vielen Mitgliedstaaten ein heikler Punkt ist. Uns geht es nicht um einen Schuldenerlass. Wir werden unsere Schulden zurückzahlen. Aber es gibt viele Wege, wie man Irland dabei helfen könnte, einen Teil der von den Banken verursachten Schulden von der Gesamtverschuldung des Staates zu trennen – etwa über eine Beteiligung des ESM an einigen Banken.

Zu den langfristigen Zielen der Euro-Zone gehört eine Harmonisierung der Fiskalpolitik. Wie lange will Irland noch an seiner niedrigen Unternehmenssteuer festhalten?

Irland ist nicht das einzige EU-Mitglied, das Wert darauf legt, dass Steuerfragen in den nationalen Zuständigkeitsbereich gehören. Wir sind eine kleine Insel mit fünf Millionen Einwohnern am Rande Europas. Wir sind keine Industriemacht im Herzen Europas. In Irland fehlen jene traditionellen Industriezweige, die den Wirtschaftskreislauf in anderen europäischen Volkswirtschaften beleben. Wir brauchen also andere Mittel, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Unsere Steuerpolitik ist dabei ein wesentlicher Bestandteil. Es wäre dumm, wenn man die EU-Länder dazu zwingen würde, ihre Steuersätze anzugleichen. Am Ende würden die Staaten im Herzen Europas noch für die Länder zahlen müssen, die dann ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen würden. Irland will aber kein Empfängerland in einer Transferunion sein.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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