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Angela Merkel beim Gespräch in Brüssel mit Italiens Ministerpräsident Mario Monti.

© dpa

Euro-Gipfel: Merkel beugt sich Druck von Spanien und Italien

Für die Bundeskanzlerin wird es ein heikler Tag. Bisher hatte sie eine Ausweitung der Instrumente im Kampf gegen die Schuldenkrise noch deutlich abgelehnt. Nun muss sie dem Bundestag vor der Abstimmung zu Fiskalpakt und ESM erklären, warum sie direkten Bankenhilfen und dem Aufkauf von Staatsanleihen zustimmte.

Unter dem Druck von Italien und Spanien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weitreichende Zugeständnisse beim Einsatz der Euro-Rettungsfonds gemacht. Künftig sollen nicht nur direkte Bankenhilfen möglich sein, sondern auch der Aufkauf von Staatsanleihen reformwilliger Mitgliedsländer, wie die Eurostaaten am Freitag in Brüssel beschlossen. Im Gegenzug stimmten Rom und Madrid einem EU-Wachstumspakt zu.

Italiens Regierungschef Mario Monti äußerte sich zufrieden über die Beschlüsse. Die nach nächtlichen Beratungen zustandegekommene Einigung sei „eine sehr wichtige Abmachung für die Zukunft der EU und der Eurozone“. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sprach von einem „Durchbruch“, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte den Beschluss „sehr ambitioniert“. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker bezeichnete die Einigung als eine „Botschaft an die Finanzmärkte“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte lediglich, der Gipfel habe eine „gute Entscheidung heute getroffen“. Im Vorfeld hatte die Bundesregierung eine Ausweitung der Instrumente im Kampf gegen die Schuldenkrise noch deutlich abgelehnt. Nun muss die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung im Bundestag am Freitagnachmittag vor der wichtigen Abstimmung über den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM und den europäischen Fiskalpakt darlegen, warum sie den Vereinbarungen zustimmte.

Sehen Sie im Video: Durchbruch auf dem Euro-Gipfel in Brüssel

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verteidigte am Freitagmorgen die Beschlüsse des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs. Merkel habe Versuche, eine gemeinsame Haftung für Staatsschulden einzuführen, „erfolgreich“ und „unterstützt von anderen Ländern“ abgewehrt, sagte er am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin“. Merkel habe sich in Brüssel „mit einem klaren Nein zu fragwürdiger Vergemeinschaftung durchgesetzt“. Bei den Beschlüssen zu einer leichteren Unterstützung für Banken bleibe es dabei, „dass die Haftung der Kontrolle folgt und eben Bankenhilfen erst möglich sind, wenn es auch eine europäische Bankenaufsicht gibt“, sagte Gröhe. Merkel sei insgesamt „standfest“ geblieben und „für deutsche Interessen“ eingetreten. „Deutschland muss Stabilitätsanker bleiben, darf nicht überfordert werden“, sagte Gröhe.

Durch die Beschlüsse soll Euroländern geholfen werden, die Probleme mit ihrem Bankensektor oder hohen Zinsen für ihre Staatsanleihen haben. „Wir bekräftigen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen“, heißt es in der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Euroländer.

Demnach soll „unter Einbeziehung“ der Europäischen Zentralbank ein „wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus“ für die Banken in der Eurozone eingerichtet werden als Voraussetzung dafür, dass der ESM angeschlagene Banken direkt mit Finanzspritzen versorgen kann. Außerdem sollen ESM und der bisherige Rettungsfonds EFSF offenbar ohne ein allzu strenges Auflagenprogramm Staatsanleihen von Euroländern kaufen können, die trotz Erfüllung der EU-Haushaltsvorgaben hohe Zinsen für ihre Schuldscheine zahlen müssen.

Italien und Spanien hatten diese Möglichkeiten gefordert und auf dem EU-Gipfel in Brüssel auf einem Beschluss bestanden. Die hohen Zinsen, die Italien und Spanien derzeit für neue Schulden zahlen müssen, gelten als nicht lange tragbar. Um Druck auf die anderen Länder auszuüben, blockierten sie einen EU-Wachstumspakt in Höhe von 120 Milliarden Euro. Da sich zunächst keine Einigung finden ließ, berieten nur noch die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer bis in die frühen Morgenstunden weiter - bis die Einigung zustande kam und Madrid und Rom schließlich ihre Zustimmung zu dem Wachstumspakt gaben.

Im Zuge der Wachstumsmaßnahmen erhöhen die EU-Länder das Kapital der Europäischen Investitionsbank um zehn Milliarden Euro, so dass diese in den kommenden drei Jahren Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro vergeben kann. Rund 55 Milliarden Euro sollen aus ungenutzten EU-Mitteln kommen und gezielt investiert werden, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Weitere fünf Milliarden sind bereits für sogenannte Projektbonds verplant, mit denen Privatinvestoren für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten angelockt werden sollen.

Die Beschlüsse des Euro-Gipfels auf einen Blick

Folgende Beschlüsse traf der Euro-Gipfel in Brüssel

Direkte Bankenhilfe: Um den Teufelskreis zwischen angeschlagenen Banken und Staatsfinanzen zu durchbrechen, sollen Geldhäuser direkt aus dem Rettungsfonds ESM rekapitalisiert werden, heißt es in der Gipfelerklärung. Durch die Notkredite wird sich dann die öffentliche Verschuldung nicht mehr erhöhen - und die Zinsen könnten sinken. Mit dem Beschluss wird eine Kernforderung Spaniens erfüllt. Aber auch Irland wird in Aussicht gestellt, davon Gebrauch machen zu können, um die Schuldentragfähigkeit zu erhöhen. Die Hilfe soll an „angemessene Bedingungen“ geknüpft werden.

Voraussetzung für die direkte Bankenhilfe ist eine effiziente Aufsicht auf der Euro-Ebene. Die Kommission wurde beauftragt, in Kürze einen Vorschlag für einen entsprechenden Mechanismus zu präsentieren, an dem die Europäische Zentralbank beteiligt sein soll. Die Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, den Gesetzesvorschlag vordringlich bis Ende des Jahres zu prüfen.

Das bereits zugesagte Rettungsprogramm für die spanischen Banken soll so schnell wie möglich beschlossen werden. Anders als bislang vorgesehen, sollen die Kredite der Europartner keinen Vorrang vor Krediten der Privatgläubiger haben, wenn das Geld aus dem ESM kommt. Im Falle einer Pleite müssten die öffentlichen Geldgeber also genauso verzichten wie die Privatwirtschaft.

Länder, die den Brüsseler Spar- und Reformverpflichtungen nachgehen, erhalten einen erleichterten Zugang zu den Rettungsschirmen. Wenn sie die Instrumente - etwa den Aufkauf von Staatsanleihen durch den Fonds - nutzen, müssen sie sich keinem zusätzlichen Anpassungsprogramm unterwerfen. Sie müssen lediglich eine Vereinbarung unterzeichnen, dass sie die Vorgaben aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Hausaufgaben der Kommission fristgerecht erfüllen. Das ist ein großes Entgegenkommen an Italien, das bislang aus Sorge vor den strengen Konditionen vor dem Griff zum Eurotropf zurückgeschreckt war.

Die Eurogruppe soll die Beschlüsse bis zum 9. Juli umsetzen.

Die Vertiefung der Eurozone wird vorangetrieben. Die Euro-Chefs einigten sich auf die Baustellen: Den Aufbau einer Banken-Union, einer Fiskal-Union und einer politischen Union. Im Arbeitspapier der Vierergruppe um EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy findet sich weiterhin der Unterpunkt einer schrittweisen Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen.

Die Bundesregierung wies die Mutmaßung von Italiens Ministerpräsident Mario Monti zurück, damit sei die Tür zu Euro-Bonds geöffnet. Über die Inhalte soll erst auf dem nächsten Gipfel im Oktober gesprochen werden.
(dapd/AFP)

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