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Vier Stunden stand der Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag dem Verteidigungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort. Überzeugt hat er dort allerdings nicht. Noch immer ist nicht klar, wann er von wem über das Desaster beim Drohnenprojekt „Euro Hawk“ informiert wurde.

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Euro-Hawk-Affäre: De Maizière muss vor den Ausschuss treten

Viele Fragen beim Scheitern des Euro-Hawk-Projektes sind noch offen: Nun soll sich ein Untersuchungsausschuss mit dem „Euro Hawk“ beschäftigen. Thomas de Maizière bleibt weiterhin in der Verteidigung.

Von Robert Birnbaum

Stefan Paris steht am Geländer im dritten Stock des Paul-Löbe-Hauses und blickt angestrengt nach unten. Der Sprecher von Thomas de Maizière hat unruhige Tage hinter sich, dieser Montag ist auch nicht angenehm. Ein Stockwerk tiefer steht der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold vor einem Halbkreis von Kameras. Vier Stunden lang hat der Verteidigungsausschuss den Verteidigungsminister erneut zur Pleite-Drohne „Euro Hawk“ befragt.

Arnold zieht vorläufige Bilanz. „Die Rechtfertigungsstrategie des Ministers aus der letzten Woche ist wie eine Seifenblase geplatzt“, sagt der Sozialdemokrat. Ein Stockwerk höher wendet sich Paris ab und geht. Er scheint für heute genug gehört zu haben.

Das unterscheidet ihn von der Opposition. SPD, Grüne und Linke fühlen sich verschaukelt. Vorige Woche hat de Maizière hier im Saal 2.700 vorgetragen, wie er die Geschichte des „Euro Hawk“ und den Entscheidungsweg zum Stopp der Aufklärungsdrohne sieht. Danach gingen alle mit dem Eindruck nach Hause, der Christdemokrat habe von den ernsten Problemen nie erfahren, die das kosten- und zukunftsträchtige Projekt spätestens seit 2011 gefährdeten. Erst am 13. Mai dieses Jahres, so de Maizières Darstellung, kam aus heiterem Himmel eine Vorlage auf seinen Tisch, in der seine Staatssekretäre ihn nachträglich über das Aus für die Drohne informierten.

Thomas De Maizière soll schon früher über das Scheitern im Bilde gewesen sein

Diesen Eindruck, der das Amtszimmer des Wahl-Dresdners de Maizière als ein ganz spezielles Tal der Ahnungslosen erscheinen ließ, war so atemberaubend wie falsch. Tatsächlich hat der Minister schon vor jenem ominösen 13. Mai mindestens läuten gehört, dass es mit dem Projekt „Euro Hawk“ zu Ende geht; er hat darüber ja freimütig sechs Tage vorher beim „Donau-Kurier“ geplaudert.

Seit Ende letzter Woche hat sich die Sprachregelung denn auch verändert: Gewiss, de Maizière habe zwischendurch bereits von Problemen gehört. Aber die seien immer als „lösbare“ erschienen. Dass sie unlösbar waren – das habe er erst am 13. Mai erfahren.

Der Minister bekräftigt das, als er nach der Ausschusssitzung am Montag erneut vor die Presse geht: nein, keine Kenntnis vor dem 13. Mai. „Mir liegt es fern, irgendjemanden im Parlament oder in der Öffentlichkeit hinter die Fichte zu führen“, versichert er. Er will nicht als Trickser dastehen, der mit Wortklaubereien ein Bild entstehen ließ, das ohne diese Wortklaubereien eine glatte Lüge wäre.

Aber das Misstrauen ist geweckt, und jetzt klauben alle seine Worte. Ob er wirklich nie vorher von „unlösbar“ gehört habe, auch nicht gesprächsweise von seinem Staatssekretär Stéphane Beemelmans? De Maizières Stimme wird scharf: „Was ich mit meinen Staatssekretären bespreche, das mache ich hier nicht zum Gegenstand einer Bundespressekonferenz.“

So ungefähr ist es in den vier Stunden davor im Ausschuss auch zugegangen. Die SPD hat sich dort auf einen Punkt konzentriert, an dem sie den Wortklauber hofft fassen zu können. Am 10. Dezember 2012 war de Maizière zu einem Gespräch bei dem europäischen Hersteller der Aufklärungstechnik der Drohne, der EADS-Tochter Cassidian. Zur Vorbereitung gab ihm seine Rüstungsabteilung einen Vermerk über den Stand der Dinge mit. Dass es diesen Vermerk gab, mussten de Maizière und seine Mitarbeiter bestätigen. Was drinstand, wollten sie nicht sagen. Und ob sie dem Ausschuss das Papier zur Verfügung stellen – das, sagt de Maizière, wolle er erst prüfen.

Opposition vermutet Verzögerungs-Taktik von Thomas de Maizière

Der Minister nennt für das Zögern prinzipielle Gründe – es gehe um die generelle Frage, ob solche Vermerke unter den Kontrollauftrag des Parlaments fallen. Die Opposition argwöhnt hingegen sehr konkrete Gründe. Wenn in diesem Vermerk nämlich klar und deutlich zu lesen wäre, dass das Projekt scheitern wird, dann hätten sie ihn. Ein halbes Jahr früher Bescheid gewusst als bisher gesagt – das wäre das politische Todesurteil.

De Maizière versucht den putativen Sprengsatz beiläufig zu entschärfen. Vor dem 13. Mai, „zum Beispiel auch bei Industriebesprechungen“, seien ihm Probleme stets als lösbar geschildert worden. Ansonsten würde er ab jetzt lieber nur über die Sache reden und nicht über sein Nicht-, Halb- oder Fast-Wissen. Also: Das Projekt  zu beenden, sei richtig; „mein früheres Einschalten durch mich selbst“ hätte daran nichts geändert.

Drüben im Paul-Löbe-Haus kündigt der Grüne Omid Nouripour einen Untersuchungsausschuss an. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schließt sich später an. Seine Leute im Ausschuss stöhnen. Die Zeit sei viel zu knapp; wochenlang werde man jetzt über Formales zanken – und darüber, ob Peer Steinbrück vorgeladen wird, der einst als Finanzminister den „Euro Hawk“ absegnete.

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