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Minister mit Problem. „Dann heißt es hinterher, der Kerl hat die Öffentlichkeit belogen“, verteidigt Thomas de Maizière sein Vorgehen.

© AFP

Euro Hawk: Die SPD will Verteidigungsminister de Maizière vorführen

Die SPD fordert eine formale Rüge für Verteidigungsminister de Maizière und bombardiert ihn mit Fragen zum Euro-Hawk-Debakel. Dabei stützen sich die Sozialdemokraten auf Vorschriften des Bundestages. Doch die sind nicht so eindeutig, wie sie glauben.

Von Robert Birnbaum

Thomas Oppermann zeigt sich verärgert, und er tut es schriftlich. „Ich bin irritiert und verärgert über das Verhalten des Verteidigungsministers gegenüber dem Deutschen Bundestag“, schreibt der Fraktionsgeschäftsführer der SPD an den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. 22 Fragen zum Thema „Euro Hawk“ hat die SPD an Thomas de Maizière geschickt, zu beantworten binnen einer Woche. Doch das Ministerium bat um Nachsicht – die interne Aufarbeitung der Drohnen-Geschichte laufe bekanntlich noch, deshalb dauere die Antwort etwas länger.

Oppermann indes steht im Moment der Sinn nicht nach Nachsicht. „Ausdruck einer groben Missachtung des Parlaments“ sei das, ein Verstoß gegen „zwingende Vorschriften in der Geschäftsordnung“ – und deshalb möge der Präsident die Regierung förmlich rügen.

Ob Lammert das tun wird, ist ungewiss, zumal der Präsident sich wohl vor einem solchen Schritt mit dem Ältestenrat des Parlaments beraten müsste. Aber womöglich ist es Oppermann mit der Rüge so dringend am Ende ja gar nicht. Sein Brief hat seinen Zweck bereits erfüllt: De Maizière steht jetzt auch noch als Anti-Parlamentarier am Pranger.

Tatsächlich ist der Sachverhalt aber längst nicht so un- und außergewöhnlich, wie ihn der SPD-Fraktionsmanager erscheinen lässt. Um das zu verstehen, ist ein kleiner Ausflug in das Parlamentsrecht unumgänglich. Darin ist geregelt, dass ganze Fraktionen ebenso wie einzelne Abgeordnete der Regierung Fragen stellen dürfen. Und die Regierung muss antworten – binnen einer Woche, zwei Wochen oder einer selbst gesetzten Frist, je nach Art und Umfang der Anfrage.

Diese Bestimmungen sollen so etwas wie eine teilweise Waffengleichheit herstellen zwischen der Regierung, die regiert, und dem Parlament, das sie kontrollieren soll. Sie sind eine ständige Quelle des Ärgers. Noch jede Opposition hat jeder Regierung vorgeworfen, dass sie ihre Fragen unvollständig und ausweichend beantworte – nur um, kaum selbst Regierung geworden, kritische Fragen der Opposition genau so abzuwimmeln.

Wer in dem Spiel der Buhmann ist, ist oft nicht einfach zu entscheiden. Nicht jede Frage eines Abgeordneten entspringt der reinen Wissbegier. Recht viele sind im Gegenteil von Anfang an als Fangfrage angelegt. Allzu grobe Fouls verhindert zwar die Geschäftsordnung, die Mindeststandards für Form und Inhalt der Anfragen setzt. Aber auch hinter einer scheinbar ganz und gar sachlichen Wissensfrage verbirgt sich nicht selten der Versuch, die Regierenden aufs Glatteis zu führen und sie zu Aussagen zu verführen, die später gegen sie verwendet werden können.

Vorschriften sind nicht so eindeutig wie es die SPD gerne hätte

Minister mit Problem. „Dann heißt es hinterher, der Kerl hat die Öffentlichkeit belogen“, verteidigt Thomas de Maizière sein Vorgehen.
Minister mit Problem. „Dann heißt es hinterher, der Kerl hat die Öffentlichkeit belogen“, verteidigt Thomas de Maizière sein Vorgehen.

© AFP

Ob die Abgeordneten Gernot Erler, Wolfgang Hellmich, Bettina Hagedorn und andere in diese zweite Kategorie der arglistigen Fragesteller fallen könnten, als sie ihre Fragen an das Ministerium einreichten, können sie nur selbst beantworten. Aber natürlich wusste die gesamte SPD so gut wie jeder Zeitungsleser, dass sich de Maizière nach dem Stopp des Drohnen-Projekts drei Wochen Zeit ausbedungen hatte, um den Vorgang intern zu dokumentieren. Und natürlich weiß jeder, der vorher dazu eine Frage stellt, dass er den Minister in Verlegenheit bringen kann. De Maizière ist die Gefahr selbst nur zu bewusst: „Wenn ich jetzt ein bisschen sage, und das stimmt nur zur Hälfte, dann heißt es hinterher, der Kerl hat die Öffentlichkeit belogen.“

Nun ist es das gute Recht, ja geradezu die Pflicht jeder Opposition, die Regierung in die Enge zu treiben. Es ist ihr ganz genauso unbenommen, das Parlamentsrecht dabei als Waffe einzusetzen. Und es ist natürlich nicht richtig nett von der Regierung, die Fragenden auf eine „Antwort in den nächsten Tagen“ zu vertrösten.

Nur – so eindeutig auf seiner Seite, wie es Oppermann darstellt, sind die Vorschriften gar nicht. Denn es ist zwar richtig, dass die Bundesregierung schriftliche Einzelfragen von Abgeordneten „binnen einer Woche nach Eingang beim Bundeskanzleramt“ beantworten soll. Doch die einschlägigen „Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen“ rechnen schon damit, dass Regierungen diese Frist nicht immer einhalten. Und sie gehen damit milde um. Der Fragesteller erhält das Recht, in der nächsten Fragestunde des Parlaments eine mündliche Antwort zu verlangen. Dahinter steht der Gedanke, dass es auf die Antwort ankommt und nicht auf eine Frist. Von einer Rüge ist dort folgerichtig keine Rede.

Die Vorschrift ist für die SPD auch sonst eher misslich. Die nächste Fragestunde des Bundestages ist für den kommenden Mittwoch um 14.10 Uhr angesetzt. Das ist zu spät, um die Antworten noch als Waffe im politischen Gefecht zu nutzen. Denn an diesem gleichen Mittwoch will de Maizière erst frühmorgens dem Verteidigungs- und dann dem Haushaltsausschuss seinen ausführlichen „Euro Hawk“-Bericht vorlegen.

Oppermann kennt diese Abläufe von Amts wegen. Deshalb bittet er den Präsidenten Lammert, „darauf hinzuwirken, dass die Fragen unserer Abgeordneten nunmehr unverzüglich, in jedem Fall aber deutlich vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses am kommenden Mittwoch, beantwortet werden“. Das Parlamentsrecht kennt Oppermann von Amts wegen aber auch. Vielleicht steht deshalb in dem Schreiben nichts davon, auf welchen Paragrafen er seine Bitte stützt.

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