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Unter Beobachtung der Bundestagsabgeordneten: EZB-Chef Mario Draghi am Mittwoch im Reichstag.

© AFP

Euro-Krise: Der Mann von der Feuerwehr

Seit der Ankündigung von Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank kochen die Inflationsängste in Deutschland hoch. EZB-Chef Mario Draghi versucht im Bundestag, die Kritiker zu besänftigen.

Was hat sich Mario Draghi nicht alles an Kritik aus Deutschland anhören müssen. Als „Falschmünzer“ war der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt beschimpft worden. Und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte davor gewarnt, dass sich die EZB nicht vom Währungshüter zur Inflationsbank entwickeln dürfe. Gemessen an den scharfen Tönen, die dem Italiener Draghi noch während des Sommers vor allem aus Bayern entgegenschallten, kommt die deutsche Kritik am Kurs der EZB in der Euro-Krise inzwischen aber sehr viel weniger holzschnittartig daher. Dieser Eindruck drängte sich am Mittwoch während des Besuchs Draghis im Bundestag auf. Jedenfalls zeigte sich Finanz-Staatssekretär Steffen Kampeter hinterher von Draghis Auftritt ziemlich beeindruckt. Zwar müsse man nicht jedes Argument des EZB-Chefs teilen, sagte der CDU-Mann. Aber es sei doch bemerkenswert, dass Draghi mit großer Offenheit über seine Arbeit als oberster Währungshüter in der Euro-Zone berichtet habe. So etwas habe er bei Draghis Vorgängern nie erlebt.

Draghis Transparenz-Offensive hat ihren Grund. Dass der EZB-Chef an diesem Mittwoch seinen Arbeitsplatz im Frankfurter Euro-Tower mit einem Sitzungssaal im dritten Stock des Reichstags tauschte, liegt vor allem an den hierzulande hochkochenden Inflationsängsten. Ausgelöst wurden die Befürchtungen durch die Ankündigung Draghis von Anfang September, dass die EZB notfalls Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten in unbegrenzter Höhe aufkaufen werde. Damit spielt die EZB die Rolle der Feuerwehr, die eigentlich der Politik zukommt. Der Chef der Zentralbank hatte also einiges zu erklären bei seinem „Informationsbesuch“, bei dem er gemeinsam mit dem deutschen EZB-Direktor Jörg Asmussen den Haushalts-, Finanz- und Europapolitikern sowie anderen interessierten Abgeordneten in nichtöffentlicher Sitzung Rede und Antwort stand. Entsprechend groß war auch der Andrang im Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion – mehr als 100 Abgeordnete kamen.

"Ankauf von Staatsanleihen wird nicht zur Inflation führen"

Zu Beginn der Frage-Antwort-Runde erklärte Draghi, dass die EZB habe handeln müssen, weil an den Märkten eine unbegründete Furcht vor dem Zusammenbruch des Euro aufgekommen sei. Der Plan, Euro-Krisenländern durch den Ankauf von Staatsanleihen aus der Patsche zu helfen, werde „nicht zu einer versteckten Staatsfinanzierung führen“, sagte der 65-Jährige laut Redemanuskript. Damit trug Draghi den Bedenken von Unions-Politikern wie Michael Meister (CDU) Rechnung, die befürchten, durch das Ankaufprogramm könne es zu einer Etatfinanzierung von Krisenstaaten durch die Hintertür kommen. Der Unionsfraktionsvize Meister hatte vor dem Treffen mit Draghi „eine klare Ablehnung der Staatsfinanzierung durch die EZB“ verlangt.

Zudem stellte Draghi klar, dass ein Ankauf von Staatsanleihen „nicht zu Inflation führen“ werde. Für jeden Euro, den die EZB möglicherweise für den Ankauf der Anleihen zuführe, „werden wir einen Euro entziehen“, kündigte der EZB-Chef an. Auch der SPD-Europapolitiker Michael Roth fand hinterher, dass Draghi seinen Auftritt „sehr souverän“ gemeistert habe. Irritiert zeigte sich Roth allerdings angesichts des Hinweises von Draghi, er erwarte von den Euro-Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Krise generell eher Ausgabenkürzungen als Steuererhöhungen. Roth fand, dass diese Anregung angesichts der angespannten Lage in Spanien und Griechenland „taktlos“ sei.

Unterm Strich ist die Kritik an Draghi in Deutschland aber leiser geworden. Das liegt wohl auch am Ziel des Anleihe-Aufkaufprogramms. Es soll dazu beitragen, die Anleihezinsen von kriselnden Staaten wie Spanien so weit herunterzuschrauben, dass sich die Schuldenberge dort nicht gar so schnell weiter auftürmen. Immerhin diesen Zweck hat Draghis Programm inzwischen erfüllt. Obwohl es bislang nur bei der bloßen Ankündigung des Italieners geblieben ist, notfalls auf dem Sekundärmarkt zu intervenieren, hat sich die Lage an den Anleihemärkten seit dem Sommer beruhigt: Während Anleger für zehnjährige spanische Anleihen noch im Juli rund sieben Prozent Zinsen für die Papiere erhielten, liegen die Zinsen inzwischen wieder unter sechs Prozent.

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