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Kann Griechenland aus der Euro-Zone austreten und kann das Land dann noch in der EU bleiben?

© Reuters

Euro-Krise: "Neuwahlen in Griechenland sind gefährlich"

Die Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin Anke Hassel über die Schwierigkeiten, Griechenland aus der Euro-Zone auszuschließen und Fehler im Management der Euro-Krise.

Frau Hassel, kann Griechenland eigentlich ohne Weiteres aus der Euro-Zone austreten?

Nein, ein Austritt ohne Weiteres ist nicht möglich. Denn formal ist dieser Fall nirgendwo geregelt, was die Sache auch entsprechend gefährlich macht.

Wie könnte ein Austritt dann erfolgen?

Der EU-Vertrag sieht keinen Austritt aus der Eurozone ohne ein Verlassen der EU vor. Der EU-Vertrag müsste geändert und ein solches Szenario dort festgeschrieben werden. Dieser Vertragsänderung müssten aber alle Mitgliedstaaten zustimmen. Das ist letztlich der einzige Weg.

Könnte Griechenland dann noch Mitglied in der EU bleiben?

Das kommt ganz darauf an, wie die dann veränderten europäischen Verträge ausgehandelt sind. Allerdings ist das nur die juristische Perspektive. Politisch kann ich mir nicht vorstellen, dass Griechenland aus dem Euro austritt, aber in der EU bleibt. Es hängt aber alles davon ab, wie ein Austritt aussieht und vor allem, wie er zustande kommt.

Welche Folgen hätte denn ein Austritt Griechenlands aus dem Euro?

Es hätte vor allem viele ökonomische Folgen. Sollte Griechenland zahlungsunfähig werden,  kommt es darauf an, wie das aufgefangen wird – auch das müsste in einem neuen Vertrag geregelt werden. Denn klar ist, dass die Banken dann auf ihre Forderungen gegenüber Griechenland verzichten müssten – und das könnte für einige europäische Banken zum Verhängnis werden.

Anke Hassel von der Hertie School of Governance.
Anke Hassel von der Hertie School of Governance.

© promo

Warum ist plötzlich ein Austritt Griechenlands aus dem Euro nicht mehr so schlimm. Bis Mittwochnacht war das noch des Teufels?

Das ist es eigentlich immer noch. Nur, dass sich der Rahmen etwas verändert hat. Mit der Referendums-Ankündigung hat Giorgos Papandreou die Geduld vieler Euro-Staaten ausgereizt. Scheitert das Referendum, bleibt letztlich nichts anderes als ein Austritt übrig und da muss man sich eben mit auseinandersetzen. Aber die Gefahr ist unverändert groß. Griechenland macht natürlich nur zwei Prozent des europäischen Sozialprodukts aus. Aber erstens werden viele Gläubiger auf großen Summen sitzen bleiben, was diese wiederum in ihrer Existenz bedrohen kann. Und zweitens gibt es auch einen erheblichen politischen Schaden für die gesamte Euro-Zone. Denn das Vertrauen der Investoren in die europäische Gemeinschaftswährung schwindet. Wer garantiert denen, dass dasselbe nicht auch in Italien oder Spanien passiert? Griechenland ist ein Symbol für die Bonität der gesamten Euro-Zone. Und das wurde zu spät erkannt.

Gab es also Fehler im Krisenmanagement?

Die Situation ist kompliziert. Oft wird Deutschland und Frankreich ja vorgeworfen, dass man zu spät wirklich massive Hilfen eingesetzt hat. Aber man darf nicht vergessen, dass Politik auch verpflichtet ist, der Frage nachzugehen, wer eigentlich die Risiken und die Kosten tragen soll. Wie viel entfällt auf den französischen Steuerzahler, wie viel auf den deutschen und was übernehmen die Banken und die anderen Gläubiger? Das muss die Politik regeln und das ist nicht einfach. Aber es hätte einen früheren Konsens zwischen Deutschland und Frankreich darüber geben müssen, wie man mit dieser Krise umgeht.

Jetzt kommt zur ökonomischen Krise in Griechenland auch noch eine politische hinzu. Papandreou steht vor der Abwahl. War die Idee des Referendums falsch?

Das würde ich so nicht sagen. Der Grundgedanke war richtig. Denn Papandreou hat seit einem Jahr gegen den massiven Willen seines Volkes regiert. Er wollte eine größere Legitimation für seine Politik. Nur das Timing war falsch. Just in dem Moment, in dem sich die EU auf neue Hilfen verständigt hat Referendum zu verkünden, war ungeschickt.

Wären Neuwahlen jetzt das richtige in Griechenland?

Neuwahlen sind genauso gefährlich, wie ein Referendum. Natürlich nicht politisch, weil es richtig ist, seine Politik durch den Souverän legitimieren zu lassen. Aber Neuwahlen gefährden den Rettungsprozess. Denn die Phase der Unsicherheit wird verlängert. Solange unklar ist, welchen Kurs eine neue Regierung einschlagen wird, wird es auch keine Hilfen geben. Denn in der EU ist kaum ein Mitglied bereit, den Griechen zu helfen, wenn gleichzeitig eine anti-europäische Regierung in Athen das Sagen hat.

Anke Hassel ist Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin und lehrt an der Hertie School of Governance. 2003/2004 war sie im Planungsstab des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) tätig. Mit ihr sprach Christian Tretbar.

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