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Bundeskanzlerin Angela Merkel weist den Vorwurf zurück, Griechenland und Spanien würden auf einen einseitigen Sparkurs gezwungen.

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Euro-Krise: Zwei Seiten der Münze

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wirft Kanzlerin Angela Merkel bei einer Diskussion schlechtes Krisenmanagement vor. Die Kanzlerin verweist dagegen auf Reformerfolge in den Pleitestaaten.

Eines hat Peer Steinbrück am Donnerstag gleich schon einmal klargestellt. Sollte er im Herbst ins Kanzleramt einziehen, dann würde er nicht erneut die Kavallerie ausreiten lassen, wie er dies als Finanzminister – zumindest verbal – in der Diskussion um Steueroasen schon einmal tat und damit einen wunden Punkt in der Schweiz traf. Wer im Kanzleramt sitzt, wird hingegen die „Worte abwägen müssen“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat nun in Berlin. Von diplomatischer Zurückhaltung war aber wenig zu spüren, als Steinbrück beim WDR-Europaforum danach gefragt wurde, was denn eigentlich so falsch sei am Sparkurs, an den sich die Staaten der Euro-Zone auf Wunsch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) halten müssen. Steinbrück kritisierte, dass Merkel sich in der Euro-Krise zu einseitig auf die Konsolidierung der Haushalte in den Krisenländern konzentriere. „Aus dem Heilfasten wird eine Magersucht in Europa“, polterte er.

Im Bundestag mag die SPD in den vergangenen Jahren zwar fast immer in Sachen Euro-Rettung auf der Seite der Kanzlerin gestanden haben. Der Kandidat Steinbrück aber legt größeren Wert darauf, die Differenzen zur Regierungschefin in der Europapolitik herauszuarbeiten. Das Krisenmanagement der Kanzlerin treibe die schwächelnden Euro-Staaten in einen Teufelskreis aus wirtschaftlichem Rückgang und steigender Arbeitslosigkeit, monierte der Kandidat. Zudem sei aus der Euro-Zone entgegen den Beteuerungen Merkels angesichts der milliardenschweren Rettungsschirme längst eine Haftungs- und Transferunion geworden.

Nachdenkliche Töne waren von Steinbrück indes zu hören, als es im Weltsaal des Auswärtigen Amts um die Rolle der Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) ging. Auch wenn die AfD im Wahlkampf vor allem im Lager der Union und der FDP fischen dürfte, wollte Steinbrück seine Partei nicht in Sicherheit wiegen. Die AfD könne durchaus auch antieuropäische Ressentiments bei einigen SPD-Anhängern bedienen, gab er zu bedenken.

Den Vorwurf, dass Länder wie Griechenland oder Spanien in der Euro-Krise kaputtgespart würden, ließ Merkel anschließend nicht auf sich sitzen. Der These, dass es in diesen Ländern lediglich ums Sparen gehe, wolle sie „extrem widersprechen“, sagte die Kanzlerin. Zwar führe kein Weg daran vorbei, staatliche Strukturen in den Krisenländern zu verschlanken. Gleichzeitig seien aber etwa in Griechenland inzwischen entscheidende Strukturreformen angestoßen worden – beispielsweise die Reform des Steuersystems oder die Abschaffung von Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Branchen und Berufen.

Merkel kündigte an, dass die Bundesregierung die Erfahrungen aus dem innerdeutschen Vereinigungsprozess mit der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in die Diskussion auf europäischer Ebene einbringen wolle. Schließlich seien junge Menschen aus ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern nach der Wende auf der Suche nach Arbeit auch nach Bayern und Baden-Württemberg gegangen. Nach diesem Modell sollten heute in Europa überall dort, wo es Arbeitsplätze gebe – also nicht zuletzt in Deutschland –, junge Menschen eingeladen werden, etwa durch Sprachkurse. In einigen Jahren werde es auch wieder eine „Rückwärtsbewegung“ geben, sagte Merkel.

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker listete indes eine ganze Reihe von Gegenmaßnahmen auf, mit denen sich die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen lasse: EU-Programme, nationale Investitionsprojekte und Strukturreformen. Solche Reformen „wirken aber nur langsam“, gab er zu. Dass auch Juncker angesichts von 19,2 Millionen Arbeitslosen in der Euro-Zone den Ernst der Lage erkannt hat, zeigte folgendes Bild: Im Grunde gebe es nicht nur 17 Staaten in der Euro-Zone, sagte der frühere Euro-Gruppenchef. Es gebe gewissermaßen auch einen 18. Staat – den der Arbeitslosen. Und um diesen 18. Staat müsse man sich kümmern. „Das tun wir auch“, beteuerte Juncker.

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