zum Hauptinhalt

Euro-Rettung: Griechenland kann aufatmen - vorläufig

Griechenland wird von seinen europäischen Partnern neue Hilfsgelder erhalten. Doch die Krise ist damit noch nicht gebannt. Was bringen die in Brüssel beschlossenen Maßnahmen? Und was bedeuten sie für Deutschland?

Von

Griechenland bekommt weitere Finanzhilfen und mehr Zeit zur Krisenbewältigung. Ein ganzes Bündel flankierender Maßnahmen soll Athen in die Lage versetzen, der Schuldenfalle zu entkommen und einen Staatsbankrott mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Euro-Raum abzuwenden. Noch in dieser Woche soll der Bundestag abstimmen, es zeichnet sich eine Einigung auf Freitag ab - möglich ist aber auch, dass schon am Donnerstag abgestimmt wird. Gelöst sind die Probleme nach der Einigung der Euro-Finanzminister mit dem IWF in der Nacht zum Dienstag aber nach Einschätzung von Politikern und Volkswirten noch nicht.

Welche Maßnahmen wurden im Einzelnen beschlossen?

Ursprünglich sollte Griechenland bis 2020 seine Gesamtverschuldung auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Das Ziel wurde etwas aufgeweicht: Nur 124 Prozent muss das Land bis zu diesem Zeitpunkt erreichen. Aber im Jahr 2022 soll die Quote dann schon unter 110 Prozent liegen. Einen Haushaltsüberschuss – ursprünglich für 2014 gefordert – soll Griechenland nun erst 2016 erreichen müssen. Ab 2016 soll es dann jedes Jahr einen Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erwirtschaften, das Wirtschaftswachstum soll jährlich bei 3,5 Prozent liegen. Hinzu kommen Vergünstigungen für Athen bei den Zinsen. Außerdem soll das Land eigene Schulden, die derzeit weit unter dem Nominalwert gehandelt werden, zurückkaufen. Schließlich werden an Griechenland Erträge von Gläubigerstaaten ausgeschüttet, die diese aus griechischen Anleihen erzielt haben, die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen. All das sind Voraussetzungen dafür, dass die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland weitere Hilfen gewähren.

Was passiert beim Schuldenrückkauf?

Griechenland soll vom Rettungsfonds EFSF zehn Milliarden Euro vermutlich zu den reinen Finanzierungskosten bekommen, mit denen das Land eigene Schuldtitel von privaten Gläubigern zurückkaufen kann. Sie sollen rund 70 Milliarden Euro der griechischen Schulden halten. Der Rückkauf ist lohnend, weil griechische Staatsanleihen mit Abschlägen von rund 70 Prozent gehandelt werden. Nach Berechnungen der Commerzbank könnte Griechenland auf diesem Weg seine Schulden netto um 23 Milliarden Euro reduzieren, wenn sich genügend Verkäufer finden. Der Preis für den Rückkauf darf nicht höher sein als der Marktpreis vom vergangenen Freitag. Hätte man sich früher auf diesen Schritt geeinigt, wäre es noch lukrativer gewesen. Die Preise der Anleihen sind zuletzt deutlich gestiegen, die Renditen gefallen. Im Frühjahr lag die Rendite zehnjähriger Griechenland-Bonds bei 30 Prozent, am Freitag waren es nur 16 Prozent. Der IWF will ohnehin seine weitere Beteiligung an den Hilfsmaßnahmen erst dann bestätigen, wenn der Erfolg des Schuldenrückkaufprogramms feststeht.

Wie funktioniert die Zinsvergünstigung?

Die Zinsen für bereits laufende bilaterale Hilfskredite aus dem ersten Griechenland-Programm von 2010 sollen um 0,1 Prozentpunkte oder 100 Basispunkte gesenkt werden. Für die bundeseigene KfW, die im Auftrag des Bundes gut 15 Milliarden Euro nach Athen überwiesen hat, entstehen daraus nach Angaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble keine Verluste, weil sich die KfW sehr günstig refinanzieren kann. Die Zinsen aus Hilfen des Rettungsfonds EFSF sollen für zehn Jahre gestundet, die Laufzeit aller Hilfskredite von zehn auf 15 Jahre verlängert werden. Nach Berechnungen der Commerzbank reduziert sich damit die Schuldenquote Griechenlands im Jahr 2020 um etwa fünf Prozentpunkte.

Was hat es mit den Gewinnausschüttungen auf sich?

Gewinne, die die EZB mit griechischen Staatsanleihen erzielt, sollen an die nationalen Notenbanken der Euro-Zone fließen. Dies wiederum erhöht deren Gewinn, der an ihre Regierungen ausgeschüttet wird. Die Regierungen haben sich ihrerseits verpflichtet, dieses Geld an Athen weiterzuleiten. Dadurch werde die Schuldenquote, so Commerzbank-Berechnungen, 2020 um weitere 2,5 Prozentpunkte gesenkt. Dem Vernehmen nach hält die EZB griechische Staatsanleihen im Nominalwert von 45 Milliarden Euro, die sie allerdings 2010 nur zu 70 Prozent, also zu etwa 31 Milliarden Euro gekauft haben dürfte. Zahlt Athen beim Auslaufen der Anleihen die Summen voll zurück, entsteht der Gewinn.

Warum ein Schuldenschnitt noch immer wahrscheinlich ist

Was kostet das alles Deutschland?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Kosten für den deutschen Steuerzahler am Dienstag relativ genau beziffert. Wobei er betonte, dass es sich bei den Kosten „ausschließlich“ um entgangene Gewinne handle. Zunächst geht es um 2,7 Milliarden Euro Kreditzinsen für griechische Staatsanleihen, auf die die deutsche Bundesbank verzichten soll und die aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden müssen. Schon 2013 würden 599 Millionen Euro davon fällig, kündigte Schäuble an. Er will in den nächsten Tagen dafür vom Haushaltsausschuss des Bundestages eine Ermächtigung zur Zahlung erbitten. Zusätzlich soll die Kreditbank KfW auf Zinsen in Höhe von rund 130 Millionen Euro verzichten. Auch dieser Gewinnverzicht wird auf Umwegen vom Steuerzahler zu leisten sein.

Ist ein Schuldenschnitt vom Tisch?

„Die Staatengemeinschaft ist bereit, Griechenland deutlich länger durchzuschleppen, als es noch im Sommer den Anschein hatte“, sagte Commerzbank- Chefökonom Jörg Krämer. Und Eugen Keller vom Bankhaus Metzler kritisierte: „Wir können nicht erkennen, dass mit den Beschlüssen viel gewonnen wurde – wieder einmal wurde ausschließlich Zeit gekauft.“ Ein zweiter Schuldenschnitt ist damit nach Ansicht von Volkswirten, aber auch von Oppositionspolitikern in Berlin nicht vom Tisch. Einiges spreche dafür, dass er in mittlerer bis ferner Zukunft nicht zu vermeiden sei. Dann wäre wohl in jedem Fall auch der Steuerzahler mit im Boot: Rund zwei Drittel der Schulden Griechenlands von etwa 340 Milliarden Euro liegen bei öffentlichen Geldgebern.

Ohnehin wären IWF und EZB bei einem Schuldenschnitt nicht betroffen: Der IWF hatte stets zur Bedingung seiner Teilnahme an der Griechenland-Hilfe gemacht, dass er – wie üblich – als vorrangiger Gläubiger auftritt, das heißt, er müsste vor allen anderen sein Geld zurückerhalten. Und die EZB verweist darauf, dass sie Staaten nicht direkt finanzieren dürfe, weshalb sie sich an einem Schuldenschnitt nicht beteiligen könne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false