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Kanzlerin Merkel gibt sich zuversichtlich, dass die gescheiterte slowakische Ministerpräsidentin Radicova (hinten) die EFSF-Zustimmung dennoch durchbringt.

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Update

Euro-Rettungsschirm: Slowakei könnte Donnerstag erneut abstimmen

Ein kurzfristig angesetztes Treffen der gescheiterten slowakischen Regierung mit der Opposition soll eine schnelle Lösung im Euro-Streit bringen. Die deutsche Kanzlerin macht aus der Ferne Druck.

Nach dem Nein des Parlaments zum erweiterten Euro-Rettungsschirm wird die scheidende slowakische Regierungsspitze noch an diesem Mittwoch mit Vertretern der Oppositionspartei SMER verhandeln. Nach Angaben eines Sprechers der Regierungspartei, kann bei einer Einigung mit der Opposition das Parlament bereits am Donnerstag erneut über die Erweiterung des Rettungsfonds EFSF abstimmen.

Am Dienstag hatten von 124 anwesenden Abgeordneten nur 55 für die Ausweitung des Fonds gestimmt. Neun Parlamentarier dagegen aus, 60 enthielten sich. Damit scheiterte zugleich die Regierung von Ministerpräsidentin Iveta Radicova, die das Votum mit der Vertrauensfrage verbunden hatte.

Bundeskanzlerin Merkel äußerte sich zuversichtlich, dass der erweiterte Rettungsfonds sehr bald starten könne. Damit erhöht sie auch den Druck auf die Slowakei. „Ich bin sehr gewiss, dass wir bis zum 23. Oktober alle Unterschriften aller Mitgliedsstaaten unter diesem EFSF haben werden“, sagte Merkel am Mittwoch auf einem deutsch-vietnamesischen Wirtschaftsforum in Ho-Chi-Minh-Stadt.

Mit der Ablehnung der Slowakei droht sich die Krise in der Eurozone weiter zu verschärfen. Der Eurorettungsfonds soll künftig 440 Milliarden Euro für Hilfsmaßnahmen ausgeben können, anstatt wie bisher 250 Milliarden Euro. Zudem sollen mit dem Geld Staatsanleihen von Euroländern aufgekauft werden können.

Über acht Stunden lang hatten sich die Abgeordneten in dem widerspenstigen Euro-Land über die Währung und Griechenland gestritten. Regierungschefin Iveta Radicova hatte die Zustimmung zum EFSF mit einer Vertrauensfrage an die eigene rechtsliberale Vier-Parteien-Koalition verbunden. Die ist mit dem Scheitern der Zustimmung nun am Ende. „Es ist inakzeptabel für die Ministerpräsidentin, der Slowakei zu erlauben, sich zu isolieren“, sagte Radicova. „Der Euro ist bedroht“, warnte sie vor der Abstimmung. Ihre eigene Partei SDKU sowie zwei kleinere Koalitionspartner, die Christdemokraten sowie die gemäßigte Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid, hatten sich bereits vor einigen Wochen trotz interner Widerstände zu einem Ja durchgerungen. Bei der geheimen Abstimmung stimmten aber offensichtlich mehrere Abgeordnete dennoch gegen den Rettungsschirm.

Konsequent gegen den Rettungsschirm argumentierte die zweitwichtigste Regierungspartei „Svoboda a Solidarita“ („Freiheit und Solidarität“, SaS) des einstigen Geschäftsmanns Richard Sulik. Keine Hand zur Rettung des EU-Projekts bot auch die große linkspopulistische Oppositionspartei Smer von Ex-Regierungschef Robert Fico. Sie hofft nun auf vorgezogene Neuwahlen. Umfragen versprechen ihr dabei 40 bis 50 Stimmenprozent, was sogar die absolute Parlamentsmehrheit bedeuten könnte. Der EFSF ist bei der Bevölkerung der selbst im Vergleich zu Griechenland armen Slowakei unbeliebt.

Sulik hatte für seine Rede eine schwarze Krawatte angezogen und wiederholte vor den 150 Abgeordneten die altbekannten Argumente seiner neoliberalen SaS. Wer wie Griechenland dauernd Regeln breche und über seine Verhältnisse lebe, verdiene keine Unterstützung – schon gar nicht von einem viel ärmeren Land wie der Slowakei, zeigte sich Sulik überzeugt. Seine SaS könne dem erweiterten Euro-Rettungsschirm deshalb nicht zustimmen, sagte er. „Wer schlecht haushaltet, soll dafür nicht belohnt werden“, meinte Sulik weiter. Zudem sei die Ausweitung des EFSF sinnlos, weil der Fonds immer noch zu klein wäre, um großen Ländern wie Italien oder Spanien zu helfen. „Griechenland pleite gehen zu lassen, ist eine ehrliche Lösung“, warb Sulik.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum Athen dennoch auf frisches Geld hoffen kann.

Suliks einstiger Chef, Finanzminister Ivan Miklos von der SDKU, hatte vor der Abstimmung gewarnt, dass der Slowakei im Falle eines Scheiterns des Euro ein Wirtschaftseinbruch von 40 bis 50 Prozent drohe. Gleichzeitig gab sich Miklos überzeugt, dass das Parlament bis Ende dieser Woche eine Lösung findet und dem EFSF schließlich dennoch zustimmen wird. Von einer solchen „Initiative der letzten Chance“ war am Dienstagabend in Bratislava aber zunächst nicht mehr die Rede. Die Slowakei hat die EU-Gemeinschaftswährung 2009 eingeführt, sich ein Jahr später allerdings auf Betreiben Suliks bereits aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland ausgeklinkt.

Nur wenn der neue EFSF-Rahmenvertrag von allen 17 Ländern ratifiziert wird, kann der Rettungsschirm mehr Geld verleihen und neue Aufgaben übernehmen. Bei der Veränderung der „Zusagenhöhe“ wird laut Vertrag Einstimmigkeit verlangt. Sollte das slowakische Parlament in einer zweiten Runde auch nicht zustimmen, könnten die 16 anderen Euro-Staaten damit einverstanden sein, auf den geringen slowakischen Anteil von 0,5 Prozent der Garantiesumme – umgerechnet 3,5 Milliarden Euro – zu verzichten. Der Rettungsschirm wäre minimal kleiner als geplant, doch müsste möglicherweise ein neuer Vertrag geschlossen werden. Ob dieser auf Grundlage der existierenden Parlamentsbeschlüsse unterschrieben werden könnte oder neu ratifiziert werden müsste, ist offen.

Griechenland kann dennoch die Auszahlung der nächsten Hilfsgelder seiner internationalen Gläubiger einplanen. Die Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) bemängelte zwar in einem vorläufigen Prüfbericht, dass das Land in vielen Punkten hinter den vereinbarten Zielen hinterherhinke. Die Experten bescheinigten der Regierung in Athen aber zugleich „wichtige Fortschritte“ und legten den Finanzministern der Euro-Gruppe und dem IWF nahe, die nächste Tranche von acht Milliarden Euro für Anfang November freizugeben.

Damit wäre die Gefahr eines Staatsbankrotts vorerst abgewendet. Ein Schuldenschnitt als längerfristig wirksame Maßnahme wird aber immer wahrscheinlicher. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, sagte dem österreichischen Fernsehen, die Insolvenz eines Euro-Staates müsse „mit aller Gewalt“ verhindert werden. Der luxemburgische Ministerpräsident bezifferte die denkbare Höhe, in der Gläubiger auf ihr Geld verzichten müssten, zunächst auf „mehr“ als 50 bis 60 Prozent; dies wurde jedoch später von einem Sprecher als „sprachliches Missverständnis“ zurückgenommen. Der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet appellierte derweil eindringlich an alle Verantwortlichen, mit entschiedenen Maßnahmen nicht weiter zu warten. Die Schulden- und Bankenkrise sei von globaler Dimension und schon von kleineren auf größere Euro-Staaten übergesprungen. „Entscheidungen müssen getroffen werden – und zwar so schnell wie möglich.“ Er sehe Anzeichen dafür, dass die Risiken weiter zunähmen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte, die Länder der Euro-Zone hätten den „politischen Willen“, die Schuldenkrise zu überwinden. In Berlin wurde für den 21. Oktober – zwei Tage vor dem verschobenen EU-Gipfel – ein Treffen der Koalitionsspitzen angesetzt.

(mit AFP)

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