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Ramsauer vs. Gauweiler: Euro-Skepsis als Karrierehilfe

Verkehrsminister Ramsauer konkurriert mit dem Parteirebellen Gauweiler um einen Posten als CSU-Vize.

Von Robert Birnbaum

Wer sich in der CSU dieser Tage umhört nach Antworten auf die Frage, was um Himmels willen den Verkehrsminister Peter Ramsauer dazu getrieben hat, sich im koalitionären Euro-Chaos- Chor an die Seite des FDP-Chefs Philipp Rösler zu stellen, der bekommt unisono einen Namen zu hören: „Peter Gauweiler“. Anfang Oktober wählt die CSU auf ihrem Parteitag in Nürnberg ihre Führung neu. Ramsauer ist bisher einer der vier Stellvertreter des Parteivorsitzenden Horst Seehofer. Unpraktischerweise haben diesmal fünf Kandidaten ihre Bewerbung angemeldet. Ramsauer muss fürchten, dass ihm der Überraschungskandidat Gauweiler das Parteiamt wegschnappt. Und so wird er ganz nebenbei zum Musterbeispiel dafür, dass der Euro-Zoff in der Koalition bisweilen gar nichts mit der Sorge um die Zukunft Europas und seiner Währung zu tun hat, sondern mit kleinen parteitaktischen Winkelzügen.

Ramsauers Lage ist nun tatsächlich ein bisschen verzwickt. Die beiden Frauen unter den stellvertretenden CSU-Vorsitzenden – Barbara Stamm und Beate Merk – sind wegen des gerade erst eingeführten Frauenquorums quasi gesetzt. Christian Schmidt wiederum, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, ist der einzige Franke im Bewerberfeld und steht wegen des Regionalproporzes unter Artenschutz. Bleiben Ramsauer und Gauweiler.

Nun ist keineswegs ausgemacht, dass Gauweiler das Rennen macht. Hinter dem Münchner stehen keinerlei Bataillone, seine Beliebtheit in der Partei bleibt weit hinter seiner Beliebtheit als Interviewpartner und Talkshowgast zurück. Grimmig vermerken Kollegen in Berlin, dass der Herr Bundestagsabgeordnete zwar gerne vor dem Verfassungsgericht die Rechte des Hohen Hauses einklage, im Parlament und speziell in der CSU-Landesgruppe aber praktisch nie gesichtet werde. Es gibt sogar Leute, die ihn einen „gefährlichen Populisten“ nennen und bei dem Gedanken erschaudern, dass so einer demnächst mit der Autorität des Parteispitzenamts öffentlich auftritt statt wie bisher als intelligenter, aber doch etwas absonderlicher Querdenker. „Das würde das Bild der CSU in der Europapolitik deutlich verändern“, sagt ein besorgter Kritiker.

Andererseits liegt genau in diesen Eigenschaften Gauweilers Gefährlichkeit für jeden Gegenkandidaten. Mit seiner Euro-Skepsis liegt er im Trend. Gerade erst hat der CSU-Vorstand einen Leitantrag für den Parteitag verabschiedet, von dem öffentlich vor allem im Gedächtnis geblieben ist, dass die CSU die Griechen aus dem Euro werfen wolle. Das wird dem Inhalt des Papiers nicht ganz gerecht. So findet sich darin zum Beispiel auch der Satz, dass die CSU die Euro-Rettungspolitik der Kanzlerin voll unterstütze. Aber es ist nicht zuletzt der Vorsitzende Seehofer gewesen, der in der öffentlichen Darstellung des Papiers diesen Aspekt eher unerwähnt gelassen hat. Dafür hat Seehofer umso mehr die „Ultima Ratio“ betont, dass ein Pleitekandidat, der sich nicht sanieren könne oder wolle, den Euro-Raum verlassen müsse.

Dahinter steckt ein ähnliches Motiv wie hinter den Euro-Eskapaden des FDP- Vorsitzenden Rösler. Röslers Partei bewegt sich um die Drei-Prozent-Grenze. Die CSU landete neulich in einer Umfrage bei 41 Prozent, was für ihre Verhältnisse ähnlich existenzbedrohend klingt. Ein nassforscher Anti-Europa-Kurs war in Bayern noch stets ein probates Mittel gegen solche Schwächeleien. Edmund Stoiber zum Beispiel hat auf der Klaviatur gern gespielt – was er heute fast bereut: Der Ehrenvorsitzende ist in seiner Brüsseler Zeit zum überzeugten Europäer geworden.

Seehofer jedenfalls ließ seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt einen ersten Entwurf für den Leitantrag schreiben. Dobrindt ist bekennender Euro-Skeptiker. So las sich das Papier auch. Es brauchte sieben revidierte Versionen, bis die Europa- und die Bundespolitiker der Partei zumindest halbwegs damit leben konnten. Genutzt hat die Überarbeitung so richtig nicht – in der öffentlichen Darstellung überwogen die Euro-skeptischen Restbestände.

In diesem Klima witterte Gauweiler seine Chance und gab seine Bewerbung ab. Über seine Wahlaussichten gibt es geteilte Meinungen. Aber unstreitig ist, dass der einstige Protegé des Franz Josef Strauß über einen messerscharfen Verstand und eine geschulte Rhetorik verfügt. Der kann einen Parteitag mit einer Rede auf seine Seite ziehen.

An dem Talent arbeitet Ramsauer noch. Der Verkehrsminister hat überdies schon beim letzten Mal 2009 sein Amt nach CSU-Verhältnissen nur mit Hängen und Würgen erobert. 78,9 Prozent waren für den nominellen Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl eine sehr mürrische Legitimation.

Das war damals auch die Quittung für den verbreiteten Eindruck, dass „Ramses“, wie ihn intern alle nennen, in seiner Karriereplanung doch sehr auf Bequemlichkeit und Sicherheit achtete. Als Verkehrsminister ist er bisher auch eher dadurch aufgefallen, dass er in den wilden Zeiten der Stuttgart-21-Debatte gänzlich unzuständig für das Bahnprojekt wirkte. Sein jüngster Vorstoß für eine Pkw-Maut droht am Widerstand nicht zuletzt der Kanzlerin zu scheitern. Als Wahlempfehlung in eigener Sache reicht das alles so richtig nicht. Ramsauers plötzliche Sympathie für Röslers Gedankenspiele mit einer Pleite Griechenlands deuten Parteifreunde denn auch als Versuch, sich beim einfachen Parteivolk als Euro-Skeptiker in der Lightversion zu empfehlen und so die Distanz zu Gauweiler zu verkürzen. Dass er – ebenso wie FDP-Chef Rösler – im Ausland und auf den Finanzmärkten nicht als Parteipolitiker wahrgenommen wird, sondern als Regierungsmitglied des wichtigsten Euro-Landes – nun, das sind halt Kollateralschäden.

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