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Politik: Euro: Um Mitternacht zur Kasse

Der Finanzminister war der Erste. Das Euro-Jahr war noch keine fünf Sekunden alt, da stand Hans Eichel gleich neben dem Brandenburger Tor am Schalter einer Bank, um Deutsche Mark in Euro zu tauschen.

Der Finanzminister war der Erste. Das Euro-Jahr war noch keine fünf Sekunden alt, da stand Hans Eichel gleich neben dem Brandenburger Tor am Schalter einer Bank, um Deutsche Mark in Euro zu tauschen. Einen der eher seltenen 200-Mark-Scheine hatte Eichel mitgebracht, und Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz zählte ihm bedächtig 102 Euro und 26 Cent auf den Tresen. Das wollte die Horde der Fotografen sehen, denn nur für sie war dieser Umtausch im "Euro-Pavillon" inszeniert, ebenso perfekt choreografiert wie draußen in der Kälte das Feuerwerk. Wie ein Magier fächerte Eichel die Geldscheine auf, spielte herum, zählte die Scheine, prüfte sie im Gegenlicht, betastete sie auf Fotografenwunsch in jedweder Form - um schließlich auch den letzten Cent sorgfältig im Münzfach seines weinroten Portemonnaies zu verstauen.

Andere Politiker, andere Sitten: Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm ließ das Euro-Kleingeld lässig in die Jackentasche seines Smokings klimpern, nur die Scheine waren der Brieftasche würdig. US-Botschafter Dan Coats, vertraut immerhin mit dem "Cent", lernte, dass seine Hundert-Dollar-Note 130 Euro und 63 europäische Cent einbringt. Nach den Politikern, aber noch vor dem Volk, kamen drei Kinder am Schalter an die Reihe: Jessica, Anne und Raik. Acht, elf und zwölf Jahre alt, durften sie einen Gutschein über 100 Euro umtauschen, den sie bei der Bank gewonnen hatten. "Nun lächelt doch mal, ihr freut euch doch", zischelte die zur Erhöhung des Glanzes des Ereignisses eingeladene Miss Germany den etwas verstört wirkenden Kindern zu. Ob die schwarzhaarige Schönheitskönigin des abgelaufenen Jahres dann auch noch Euros abbekam, ging im Getümmel unter; denn eine Viertelstunde nach Mitternacht waren die Silvester-Feiernden mit dem Umtausch dran.

Eine Stunde schon hatten sich Dutzende vor den Gittern um den besten Platz gedrängelt. Jeder, der einen D-Mark-Schein abgab, bekam ein zwecks schnellerer Abfertigung vorgefertigtes Tütchen mit dem neuen Geld - und einen Händedruck von Bundesbankpräsident Welteke gratis dazu.

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