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Alles automatisch: Ein Fingerabdruckscanner der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen

© Christoph Schmidt/dpa

Eurodac: Menschenrechtler sehen EU-Datenbank kritisch

Nur weil man geflohen ist, zehn Jahre in einer Datenbank, auf die demnächst auch die Polizei Zugriff hat: Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert die Umwidmung der EU-Fingerabdruck-Datei Eurodac.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (Dimr) hat erneut die biometrische Erfassung von Asylbewerbern an Europas Grenzen kritisiert. Die neue Verordnung über das Datensystem Eurodac, die am 20. Juli wirksam wird, sei eine Zweckentfremdung dieses EU-Datensystems und ermögliche "erhebliche Grundrechtseingriffe", sagte Eric Töpfer, der wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut ist.

Das Herz des EU-Asylsystems

Eurodac ist das elektronische Herz des europäischen Asylsystems. Die Datenbank soll der Idee nach die Fingerabdrücke aller Menschen speichern, die Europas Grenzen ohne die Erlaubnis eines europäischen Staats übertreten, Asylsuchende ebenso wie irreguläre Migranten. Dadurch dass die nationalen Einwanderungs- und Polizeibehörden Zugriff auf Eurodac haben, ihre Daten dort einspeisen und die abrufen, die andere EU-Länder eingespeist haben, soll möglich werden, dass "Dublin" funktioniert: Nach den Regeln, die sich vor 25 Jahren die EU in der irischen Hauptstadt gegeben hat, ist das Land für ein Asylverfahren zuständig, wo ein oder eine Asylsuchende erstmals europäischen Boden betreten hat. Die Daten von sogenannten "Illegalen" werden bisher zwei Jahre lang, demnächst nur noch anderthalb Jahre lang, in Eurodac gespeichert. Die von Asylsuchenden bleiben allerdings zehn Jahre lang in der Datenbank.

Institut: Notwendigkeit nicht belegt

Ursprünglich sollte Eurodac nur Mehrfach-Asylanträge und unerlaubte Einreisen verhindern Mit der neuen Eurodac-Verordnung bekommen aber neben den Einwanderungsbehörden auch Polizei und Staatsanwaltschaften Zugriff, darunter Europol. Die Neufassung wurde schon 2013 beschlossen, machte aber größere technische Umrüstungen nötig und wird daher erst nächste Woche wirksam. Das Dimr hält den Eingriff in Grundrechte von Flüchtlingen und anderen Migranten durch die neue Verordnung für unverhältnismäßig. Dass er nämlich notwendig wäre, ist "nicht belegt - oder nur anekdotisch", sagt Eric Töpfer. Lediglich die Niederlande äußerten sich bei einer Umfrage der EU-Kommission etwas präziser und nannten 134 Fälle in fünf Jahren, in denen der Abgleich von Spuren an Tatorten mit der nationalen Asyldatei Ergebnisse lieferte - allerdings zu 30 bis 40 Prozent für Eigentumsdelikte.

Die zu Kontrollierenden kontrollieren sich selbst

Da nur Migranten so gespeichert würden, entstehe der falsche Eindruck, "dass Asylsuchende krimineller sind als der Rest der Bevölkerung", sagt Töpfer. Die Speicherung in einer Datei, die der Polizei zugänglich ist, behandle sie wie Straftäter oder potenziell Verdächtige. Das Dimr fordert, dass die Umsetzung der Verordnung stärker als geplant von den europäischen Parlamenten und Datenschützern kontrolliert wird. Der Text fordert zwar hohe Sichtblenden für Polizei und Staatsanwälte, bevor sie in die Datensätze von Eurodac schauen dürfen - es muss unter anderem um schwerste Straftaten oder Terror gehen, sie müssen jeden Zugriff begründen - aber kontrolliert wird das von ihnen selbst. In der europäischen Polizeibehörde Europol wird dafür ein eigenes Referat geschaffen, sagt Töpfer, für das Bundeskriminalamt ist es ebenfalls wahrscheinlich. Daher müsse es "systematische Kontrollen des Datenwegs" von unabhängiger Stelle geben und die müssten effektiv sein: "Bisher gibt es keine Lieferkette, die Behörden werden lediglich schriftlich nach ihrer Abfragepraxis gefragt."

Statt Menschen eine Wahrheitsmaschine

Für menschenrechtlich problematisch hält das Dimr auch das Zustandekommen der Daten in Eurodac. Wer sich gegen die Abnahme seiner Fingerabdrücke wehrt, kann auch mit Gewalt dazu gezwungen werden - mit wieviel Gewalt, bleibe unklar, und dies bei einer besonders verletzlichen Gruppe Menschen, die ortsfremd und durch die langen Migrationswege oft erschöpft, krank oder traumatisiert sind. Und es stelle sich die Frage, so Töpfer: "Wie valide ist so ein Eurodac-Treffer?" Da keineswegs in allen angeschlossenen EU-Staaten die automatisch übermittelten Daten auch von Menschen geprüft würden, seien sie auch schon vertauscht worden. "Wir haben es mit einer Wahrheitsmaschine zu tun." Das sei aber fatal, denn "der Fingerabdruck ist inzwischen der entscheidende Beweis."

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