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Eurokrise: Wie geht es weiter mit der Währungsunion?

Griechenland, Portugal, jetzt auch noch Irland – Die Schuldenkrise in Euroland nimmt immer dramatischere Züge an.

Am Montag und Dienstag herrschte an den Finanzmärkten zeitweise Panik, am Mittwoch beruhigte sich die Lage etwas. Die Politik ringt immer noch um eine Lösung, Experten beklagen zunehmende Ratlosigkeit. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fordert einen Plan für eine mögliche Pleite Griechenlands, Commerzbank- Chef Martin Blessing votiert im Blick auf das Land im Gegensatz zu Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann für einen Schuldenschnitt. Und die Ratingagentur Moody’s hat jetzt auch die Bonität Irlands auf Ramsch herabgestuft. Die Lage wird immer verworrener.

Warum stuft Moody’s Irland herab?

Die Ratingagentur ist skeptisch, dass der hoch verschuldete Inselstaat tatsächlich ohne ein zweites Hilfspaket einen Weg aus der Krise findet. Das Land werde sich aus heutiger Sicht nach Ende des ersten Rettungsprogramms 2013 kaum aus eigener Kraft wieder Geld am Kapitalmarkt beschaffen können. Mit der Herabstufung der Bonitätsnote um eine Stufe auf Ba1 gelten irische Staatsanleihen jetzt als spekulative Anlage, bei der mit Zahlungsausfällen zu rechnen ist.

Die EU und die irische Regierung kritisieren die Herabstufung, das Land sei bis 2013 ausreichend finanziert. Im Übrigen hätten die beiden anderen großen Agenturen Standard&Poor’s (S&P) und Fitch an ihren Bonitätseinstufungen nicht gerüttelt. Für sie sind irische Staatsanleihen (noch) kein Ramsch.

Was bedeutet die Herabstufung Irlands für das Eurosystem?

Nachdem nun nach Griechenland und Portugal mit Irland das dritte Euro-Land mit dem Ramsch-Status für seine Anleihen leben muss und auch die Entwicklung in Italien kritisch beäugt wird, wächst der Druck auf die Regierungen in Euroland, endlich klare Signale für das weitere Vorgehen zu geben und Entscheidungen zu treffen, wie den verschuldeten Staaten wirksam geholfen werden kann. Möglicherweise gibt es endlich Fortschritte bei einem Sondergipfel am Freitag. Auch bei den Banken setzt ein Umdenken ein, wie das Votum von Commerzbank-Chef Blessing für einen Schuldenschnitt für Griechenland zeigt.

Müssen weitere Euro-Länder mit Bonitätsabstufungen rechnen?

Sollten die Ratingagenturen ihren Kurs beibehalten und strikt ihren Kriterien folgen, ist das nicht auszuschließen. Italien jedenfalls schauen sie sich derzeit sehr genau an. Auch in Frankreich steigt die Angst vor einer Abstufung. Ökonomen zufolge steht das Land nicht besser da als Griechenland und Irland. Das Haushaltsdefizit in Frankreich lag 2010 bei sieben Prozent, die Verschuldung soll bis 2012 auf 86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Für die eigentlich geplante Schuldenbremse findet sich keine Mehrheit. Und Volkswirte vermissen ein überzeugendes Reformprogramm. Auch Spanien ist noch nicht über den Berg.

Welche Rolle spielen die Ratingagenturen in der Schuldenkrise?

Die Meinungen gehen auseinander. Klar ist: Die Ursache für die Krise liegt nicht bei den Agenturen, sondern in jahrelangen politischen Versäumnissen und kontinuierlichen Verletzungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch alle Euro-Staaten. Die Europäische Zentralbank (EZB) beklagt dies seit Jahren. „Die Politik hat unsere Warnungen ignoriert,“ sagt Ex-EZB- Chefvolkswirt Otmar Issing. Bundesbank- Präsident Weidmann warnt davor, den Agenturen die Schuld an der Eskalation in die Schuhe zu schieben. Zwar sei die Kritik in Teilen berechtigt, jedoch lenke sie von den eigentlichen Problemen ab. „Die kritisierten Bonitätsnoten sind ja nicht willkürlich, sie spiegeln reale Probleme in den betroffenen Ländern wider. Diese Probleme und ihre oft zu zögerliche Bewältigung machen mir viel mehr Sorgen als die Urteile der Agenturen“, sagte er.

Trotzdem gelten die Ratingagenturen derzeit in den Augen vieler als Brandbeschleuniger. Mit ihren Herabstufungen würden sie die Krise ohne Not verstärken. Asok Wöhrmann, Geschäftsführer der Deutsche Bank Investmentfonds- Firma DWS, nennt das Verhalten der Agenturen „unerträglich“. Sie lebten in einer anderen Welt.

Andere sehen die Ratingagenturen im Recht, die genaue Beobachtung und Analyse sei ihr Job. Sie müssten den Politiker auf die Finger klopfen. Überhaupt könne die Politik nicht klagen, schließlich habe sie den Agenturen ihre Macht verliehen, weil sie deren Noten zum vorgeschriebenen Maßstab für die Geldanlage etwa bei Pensionskassen und Versicherungen gemacht hätten.

Was bedeutet die aktuelle Entwicklung für den Euro – ist er am Ende?

Solche Unterstellungen sind absurd. Bei den Problemen in Euroland handelt es sich um eine Schulden- und nicht um eine Währungskrise. Allerdings strahlen die Schuldenprobleme auf die Währung aus. Deshalb schwankt der Euro-Kurs gegenüber dem Dollar seit Tagen stark zwischen 1,39 und 1,45 Dollar.

In den letzten Wochen und Monaten allerdings hat der Euro gegenüber dem Dollar gewonnen, lediglich gegenüber dem Schweizer Franken hat er weiter verloren. Aber mit 1,40 Dollar ist der Euro gegenüber der Weltleitwährung und gegenüber vielen anderen Währungen weiter stark. Zur Erinnerung: In den ersten Jahren der Währungsunion waren es zeitweise weniger als 90 Dollar-Cent.

Zudem gibt es bei Exporten in den Euroraum keine Währungsrisiken. Und der Euro hat trotz der aktuell erhöhten Inflation den Deutschen mehr Stabilität gebracht als die DM. Im Übrigen: Nicht nur das Aus für den Euro wäre juristisch kaum zu bewältigen, ein Austritt eines Mitgliedslandes oder die Auflösung der Währungsunion ist in Verträgen von Maastricht gar nicht vorgesehen. Griechenland etwa brächte ein Austritt wenig. Zwar würde die neue Drachme stark abwerten und Exporte erleichtern, die Schulden müssten aber weiter in Euro bedient werden - was noch schwieriger und teurer würde.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Mittlerweile wäre überhaupt wichtig, dass sich die Regierungen in Euroland zusammen mit der EU-Kommission und der EZB nach den monatelangen Diskussionen endlich auf einen klaren Weg für die Krisenbekämpfung festlegen. Erst dies wird die Finanzmärkte beruhigen und könnte auch den Druck auf die Schuldenstaaten nehmen. Längst gelten nicht nur neue Rettungspakete, wie es jetzt für Griechenland in Arbeit ist, sondern auch eine Reduzierung der Schuldenlast und damit eine Umschuldung als Lösungsweg.

Der Rettungsschirm EFSF könnte Anleihen der hoch verschuldeten Staaten zu den aktuell niedrigeren Marktpreisen aufkaufen und damit direkt die Schuldenlast der betroffenen Länder senken. Optionen sind auch die Verlängerung der Laufzeit von Hilfskrediten und niedrigere Zinsen. Schließlich zahlt der EFSF für das Kapital, das er am Markt aufnimmt, nur Zinsen von etwa drei Prozent. Commerzbank-Chef Blessing hat außerdem einen Verzicht von etwa 30 Prozent auf ausstehende Griechenland-Anleihen durch die Banken angeregt. Aber gegen einen Schuldenschnitt wehren sich andere Institute ebenso wie die Europäische Zentralbank, nicht nur wegen möglicher schwer absehbarer Folgen für andere Schuldenstaaten. Auch die Europäische Zentralbank hält griechische Staatsanleihen im Volumen von etwa 45 Milliarden Euro und wäre deshalb ebenfalls direkt betroffen. Möglicherweise reicht ihr Kapital zur Abdeckung der Verluste dann nicht mehr und müsste indirekt mit Steuermitteln erhöht werden.

Kritiker der bisherigen Hilfsmaßnahmen schlagen schließlich vor, endlich Euro-Anleihen aufzulegen. Damit werde Investoren und Ratingagenturen gezeigt, dass Euroland an einem Strang zieht. Es wäre ein Zeichen auch für die weltweit wirtschaftlich stärkste Region, die bei ihren Kennzahlen, auch bei Defizit und Staatsverschuldung, insgesamt deutlich besser dastünde als die USA oder Japan. Gemeinsame Verschuldung würde allerdings auch gemeinsame Haftung bedeuten. Und in Deutschland würden die Zinsen steigen, weshalb viele Experten diese Idee zurückweisen. Außerdem könnten die stark verschuldeten Euro-Staaten dazu verleitet werden, in ihren Sparanstrengungen nachzulassen, warnen Kritiker.

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