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Eurokrise: Wie kommt Griechenland aus den Schulden?

Das Geld reicht vorne und hinten nicht. Die Griechen und ihre desolate finanzielle Lage beschäftigen momentan die gesamte Euro-Zone. Noch ist unklar, wie das Land einen Weg aus dem Schuldensumpf finden soll.

Warum ist die Lage so dramatisch?

Griechenland hat zwar im vergangenen Jahr sein horrendes Haushaltsdefizit um fast fünf Prozentpunkte gesenkt und damit die bisher größte Konsolidierungsleistung aller EU-Staaten erbracht. Aber um einen hohen Preis: das Land rutscht immer tiefer in die Rezession, es blutet langsam aus. Der Staat versucht, sich auf Kosten der Realwirtschaft zu sanieren. Am Ende könnten beide pleite sein. Immer klarer wird: Die Hellenen können die Vorgaben des Sparprogramms, zu dem sie sich im Frühjahr 2010 im Gegenzug für die Hilfen der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) verpflichteten, nicht erfüllen. Die Vorgaben waren von vornherein unrealistisch – es konzentrierte sich auf die Haushaltskonsolidierung, enthielt aber keine Wachstumsimpulse. Kürzlich musste Athen das Haushaltsdefizit für 2010 nachträglich von 9,6 auf 10,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt nach oben korrigieren. Im ersten Quartal 2011 fehlen bei den Steuereinnahmen wieder 1,4 Milliarden Euro – vor allem ein Ergebnis der schweren Rezession. Viele griechische Emigranten in Deutschland, den USA oder Australien schicken derweil wieder verstärkt Geld nach Hause. Im vergangenen Jahr überwiesen Exil-Griechen rund 2,1 Milliarden Dollar an ihre Familien, 2003 waren es noch 1,5 Milliarden.

Die Lage Griechenlands hat sich trotz aller Sparanstrengungen dramatisch verschlechtert. Die Staatsschulden belaufen sich auf bereits auf das Anderthalbfache der diesjährigen Wirtschaftsleistung. Und sie steigen weiter. Dass Athen, wie ursprünglich geplant, 2012 wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren kann, ist angesichts der horrenden Zinserwartungen sehr unwahrscheinlich. Will die EU Griechenland nicht in die Staatspleite schicken, werden deshalb bereits Anfang nächsten Jahres weitere Hilfen fällig.

Wie viel Geld fehlt Griechenland?

Das Hilfsprogramm von EU und Internationalem Währungsfonds sieht vor, dass Griechenland im kommenden Jahr drei Viertel aller Schulden, die dann fällig werden, aus eigener Tasche bezahlt. Dafür müsste sich das Land 2012 insgesamt knapp 27 Milliarden Euro leihen, elf davon schon in den ersten drei Monaten. Weil die Investoren immer größere Zweifel daran haben, dass Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen wird, muss das Land für die Kredite aber immer höhere Zinsen zahlen – was die Haushaltslage noch weiter verschlechtert. Die Ratingagentur Standard & Poor’s senkte die Kreditwürdigkeit Griechenlands um zwei Stufen auf die Note „B“ und stellte weitere Abstufungen in Aussicht. Bereits im Juli aber müssen die Griechen kurzfristige Schulden im Wert von vier Milliarden refinanzieren – darum brauchen sie dringend eine überzeugende Lösung, um das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen.

Welche Szenarien sind möglich?

Die bequemste Lösung für die Griechen wäre, wenn EU und IWF das bestehende Rettungspaket von 110 Milliarden Euro einfach aufstocken würde. Wie die französische Wirtschaftszeitung „Les Echos“ berichtete, haben die EU-Staaten am Freitag bei dem Treffen in Luxemburg bereits überlegt, Griechenland mit einer zusätzlichen Summe von 20 bis 25 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. Möglich wäre auch, dass die finanzstarken Euro- Länder für die neuen, griechischen Schulden Garantien abgeben, zum Beispiel aus dem neuen, dauerhaften EU-Rettungsschirm, der offiziell aber erst 2013 aufgespannt wird. Dagegen aber gibt es in einigen Ländern erheblichen politischen Widerstand. Schließlich hat man Athen schon im März erneut geholfen, als die Zinsen für das Hilfspaket um einen Prozentpunkt gesenkt und die Rückzahlungsfrist auf siebeneinhalb Jahre verlängert worden war.

Eine andere, vieldiskutierte Lösung ist eine Umschuldung. Dabei könnten die Gläubiger entweder freiwillig auf einen Teil ihres Geldes verzichten – oder aber dazu gezwungen werden. Letzteres ist nicht sehr wahrscheinlich. Bei einem Schuldenschnitt, auch Haircut genannt, würde man den Griechen einen Teil ihrer Schulden einfach erlassen. Dann müssten sie deutlich weniger Zinsen zahlen und könnten ihren Haushalt leichter wieder ausgleichen. Umgekehrt könnte ein Haircut aber einige Gläubiger stark in Bedrängnis bringen: Allein bei den deutschen Banken hat Griechenland 26 Milliarden Dollar Schulden, die Europäische Zentralbank besitzt griechische Staatsanleihen im Wert von rund 40 Milliarden Euro. Besonders hart getroffen aber würden die griechischen Banken, etliche von ihnen könnten in die Pleite stürzen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Investoren künftig auch andere Schuldenstaaten meiden, wenn sie mit Griechenland so viel Verlust gemacht haben.

Wahrscheinlicher ist daher eine „sanfte Umschuldung“, bei der die Gläubiger ihre griechischen Staatsanleihen freiwillig zurückgeben und in neue Papiere umtauschen würden, die eine längere Laufzeit hätten, einen niedrigeren Zinssatz oder auch einen geringeren Nennwert. Der Vorteil wäre, dass nur solche Banken und Versicherungen an der Umschuldung teilnehmen müssten, die sich das auch leisten können. Die Investoren selbst könnten ein starkes Interesse daran haben: Sie würden zwar Geld verlieren, müssten ihre Papiere aber nicht komplett abschreiben. Und die Lage in den anderen Euro-Ländern, in denen sie ebenfalls stark engagiert sind, würde sich eventuell wieder beruhigen. Allianz- Chefvolkswirt Heise plädiert für eine solche Lösung, gepaart mit einer weiteren Zinssenkung für die Rettungsgelder und neuen Kreditgarantien für Griechenland. „Im günstigsten Fall könnte der griechische Schuldenberg um 25 Prozent sinken.“ Unbedingte Voraussetzung für einen solchen Schritt sei aber, dass Griechenland erkennbar weiter Anstrengungen unternehme, seinen Haushalt zu sanieren und seine Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen.

Ist ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro realistisch?

Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone – sofern er rechtlich überhaupt möglich ist – hätte verheerende Folgen: Es käme zu einem Run auf die griechischen Banken, der diese an den Rand des Zusammenbruchs bringen könnte. Obwohl einige Ökonomen Griechenland eine Rückkehr zur Drachme empfehlen, weil sich so die Wettbewerbsfähigkeit der hellenischen Exportwirtschaft verbessern ließe, hätte ein Austritt aus dem Euro auch einen gewaltigen Nachteil: Athen müsste seine Schulden weiterhin in Euro bedienen – Griechenland könnte dann unter dem Schuldenberg vollends zusammenzubrechen.

Welche Schritte plant die EU?

Von Seiten der Euro-Gruppe wird ein Schuldenschnitt oder gar ein Ausstieg Athens aus der Euro-Zone weiter kategorisch dementiert. Der Sprecher von Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker bestätigte dem Tagesspiegel am Montag, dass bei dem Treffen der EuroGruppe kommende Woche aber sehr wohl über eine zeitliche Streckung sowie einen niedrigeren Zinssatz gesprochen werde. Entsprechende Entscheidungen fallen demnach aber frühestens beim übernächsten EU-Finanzministertreffen am 14. und 15. Juni, da zunächst eine Expertenabordnung von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds nach Athen reist. Erst wenn diese die aktuellen Finanzdaten analysiert hätten, könne eine Entscheidung fallen, hieß es in deutschen Regierungskreisen.

Mitarbeit Dagmar Dehmer, Albrecht Meier, Christopher Ziedler

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