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Politik: Europa auf Sparflamme

Die Ratifizierung des Grundlagenvertrags hat 2008 in der EU absolute Priorität

Die wichtigsten Entscheidungen für die Zukunft der Europäischen Union werden im Jahr 2008 nicht in Brüssel getroffen, sondern in den 27 Mitgliedsländern. Denn die größte Herausforderung der europäischen Politik in den nächsten zwölf Monaten ist zweifellos die Ratifizierung des EU-Grundlagenvertrags. Bis Ende des Jahres 2008 soll das Vertragswerk endgültig in allen EU-Mitgliedsländern unter Dach und Fach sein. Ob das aber reibungslos gelingt, ist alles andere als sicher.

Denn die EU-Gegner auf der britischen Insel werden alles tun, um den Schritt zu mehr europäischer Integration zu verhindern. Premierminister Gordon Brown hat zwar angekündigt, dass er über den neuen EU-Vertrag das Volk nicht befragen werde. Die konservative Opposition will ihm daraus aber innenpolitisch einen Strick drehen. Sie baut auf die europaskeptische Stimmung im Lande. Die Mehrheit der Briten lehnt jeden Verzicht auf nationale Souveränität und damit auch den EU-Grundlagenvertrag ab, der die wichtigsten Elemente der gescheiterten EU-Verfassung enthält. Die Konservativen und die Europagegner der im Europaparlament vertretenen UKIP werden deshalb den politischen Druck auf den Premier und das Parlament verstärken.

Auch die antieuropäische Massenpresse gibt den Kampf noch nicht auf. Sie wird den Hebel in Irland ansetzen. Dort ist die Regierung nämlich durch die Verfassung dazu verpflichtet, über den neuen EU-Vertrag ein Referendum abzuhalten. Das ist die letzte Chance der EU-Gegner, den Reformvertrag der EU zu Fall zu bringen, der am 1. Januar 2009 an die Stelle einer EU-Verfassung treten soll. Denn in allen anderen Mitgliedstaaten wird das neue Vertragswerk parlamentarisch ratifiziert. In den Parlamenten dürften sich aber klare Mehrheiten für die reformierten Grundlagen der EU aussprechen.

Unterdessen wollen die Regierungen alles vermeiden, was die Ratifizierung erschweren könnte. „Nur keine schlafenden Hunde wecken, nur den fanatischen britischen EU-Gegnern keine Munition liefern,“ scheint die Devise des Jahres 2008 zu werden. In Brüssel wird man deshalb auf kleiner Flamme köcheln.

Das gilt auch für die Rezepte der Slowenen, die am 1. Januar von den Portugiesen die EU-Präsidentschaft übernehmen. Zum ersten Mal hat damit eines der neuen EU-Mitglieder im EU-Ministerrat den Vorsitz. Das kleine Land hat im nächsten halben Jahr die Aufgabe, die Brüsseler Entscheidungen vorzubereiten und die monatlichen Sitzungen der Fachminister und der zahlreichen Beamtenausschüsse zu organisieren – eine enorme Belastung des relativ kleinen Beamtenapparats. Rund 180 erfahrende Diplomaten aus den alten EU-Mitgliedsländern, darunter auch deutsche Beamte, werden in den Ministerien in Ljubljana die Arbeit ihrer slowenischen Partner unterstützen.

Die slowenische Ratspräsidentschaft hat in der Woche vor Weihnachten die Schwerpunkte ihres Arbeitsprogramms vorgestellt: Energiepolitik und Klimawandel, innere Sicherheit und Einwanderung und – vor allem – die Nachbarschaftspolitik auf dem Balkan. Zu den politisch heikelsten Themen gehören zweifellos die Vorschläge zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes von Autos, die EU-Umweltkommissar Dimas erst in der vergangenen Woche vorgestellt hat. Eine Einigung schon in der slowenischen Präsidentschaft ist jedoch nicht zu erwarten. Das Gleiche gilt für das Energie- und Klimapaket, das die EU-Kommission vermutlich im Januar vorlegen wird. Da hier Umwelt- und Industrieinteressen aufeinanderstoßen, werden die Beratungen voraussichtlich bis ins Jahr 2009 oder gar 2010 gehen.

Auf dem Balkan wird die EU in erster Linie die in wenigen Wochen erwartete einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo beschäftigen. Die EU wird versuchen, in enger Zusammenarbeit mit der Nato den Ausbruch neuer Gewalt zu verhindern. Rund 1800 Polizisten und Justizbeamte aus den EU-Mitgliedstaaten sollen in der bisher größten zivilen Mission der EU die Verwaltung des Kosovo dabei unterstützen, eine rechtsstaatlich verankerte Polizei und Justiz aufzubauen.

Am 1. Juli übernimmt Frankreich das Ruder. Die Franzosen könnten dann neue Schwerpunkte setzen und zum Beispiel, den Fokus der Nachbarschaftspolitik auf das Mittelmeer richten. Nach der Öffnung der Grenzen zu neun neuen EU-Mitgliedstaaten werden das EU-Mitgliedsland Zypern und die neutrale Schweiz dem Schengen-Grenzverbund beitreten.

Während die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zügig weitergeführt werden, sind die Gespräche mit der Türkei ins Stocken geraten. Inzwischen hat Brüssel zwar zwei weitere der 36 Verhandlungskapitel mit Ankara eröffnet. Frankreich besteht jedoch darauf, dass die EU vorerst alle Bereiche ausklammert, in denen der Weg für eine Vollmitgliedschaft geebnet werden könnte.

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