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Politik: Europa der zwei Geschwindigkeiten?

Luxemburgs Regierungschef Juncker regt vor EU-Gipfel Debatte über innere Struktur Europas an

In gut zwei Wochen treten Bulgarien und Rumänien der Europäischen Union bei. Wann die nächste Erweiterung der EU ansteht, hängt auch vom politischen Willen des Führungspersonals in Europa ab – und der ist keineswegs eindeutig: Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag zeichnete sich in Brüssel eine kontroverse Diskussion unter den Staats- und Regierungschefs über das Tempo der EU-Erweiterung ab.

So wandte sich der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker bei einem Treffen der Konservativen im Brüsseler Vorort Meise deutlich gegen eine ziellose Erweiterung der EU. „Mich stört der erkennbare Versuch derjenigen, die nur auf Erweiterung setzen und sich jeder Vertiefung in den Weg stellen“, sagte Juncker. Wie weit die Positionen unter den 25 EU-Staaten in der Erweiterungsfrage auseinanderliegen, hatte sich zu Beginn der Woche gezeigt. Nur mit Mühe war es der finnischen EU-Präsidentschaft gelungen, eine gemeinsame Linie unter den Mitgliedstaaten zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu finden.

Was Juncker unmittelbar vor dem Gipfel als „Vertiefung“ bezeichnete, ist auch das Ziel der EU-Verfassung. Seit das Vertragswerk in Frankreich und in den Niederlanden abgelehnt wurde, herrscht Unklarheit über die inneren Reformen der EU. Beim Abendessen im Kreis der Staats- und Regierungschefs wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend in Brüssel den Fahrplan für die bevorstehende deutsche EU- Ratspräsidentschaft erläutern. Im kommenden Juni soll Deutschland einen Vorschlag vorlegen, wie die EU einen Ausweg aus der Verfassungskrise finden kann.

Für den Fall, dass die EU das Verfassungsdilemma nicht lösen sollte, blickte der erfahrene Europapolitiker Juncker am Donnerstag auch schon einmal weit in die Zukunft. „In einer völlig verworrenen Situation“, sagte der Luxemburger, müsse die EU notfalls auch „ernsthaft über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten nachdenken“. Fest steht jedenfalls, dass die EU schon jetzt, da die deutsche Präsidentschaft noch nicht einmal begonnen hat, in der Verfassungsfrage erwartungsvoll auf Berlin schaut. Österreichs Regierungschef Wolfgang Schüssel warnte davor, den künftigen deutschen EU-Vorsitz zu sehr unter Druck zu setzen: „Wenn man es mit der deutschen Präsidentschaft gut meint, dann sollte man den Rucksack nicht überladen.“

Wegen der Größe der Aufgabe warb Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag schon einmal bei Koalition, Opposition und den Ländern um Unterstützung. „Die Regierung alleine kann das nicht schaffen“, sagte sie. „Machen wir uns diese Präsidentschaften zu einem gemeinsamen nationalen Anliegen.“ Die Kanzlerin bekräftigte das Ziel, bis zur Europawahl 2009 eine europäische Verfassung auf die Beine zu stellen.

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