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Politik: Europa hat es in der Hand

Die UN sagen, Entwicklungsprogramme für Afrika sind gescheitert. Die einzige Hilfe: Schluss mit Handelsschranken

Von Ulrike Scheffer

Das Experiment Afrika ist gescheitert. Und zwar gründlich. Seit den achtziger Jahren haben sich die Staaten südlich der Sahara den Reformvorgaben ihrer Kreditgeber unterworfen, ihre Haushalte gestutzt, Staatsbetriebe privatisiert und ihre Märkte liberalisiert. Alles vergebens: „Nach zwei Jahrzehnten Strukturanpassung ist die Armut in Afrika weiter gestiegen, niedrige oder gar rückläufige Wachstumsraten sind die Regel, Krisen haben zugenommen und eine stetige Entindustrialisierung hat künftige Wachstumsperspektiven zerstört", lautet die ernüchternde Bilanz des jüngsten Entwicklungsberichts der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad).

Doch während zuletzt vor allem die korrupten Eliten in den Entwicklungsländern für die Misere verantwortlich gemacht wurden, ist der „Schwarze Peter“ nun wieder im Norden angelangt, wie Dirk Kohnert vom Hamburger Institut für Afrika-Kunde sagt. Lobbygruppen und auch die UN werfen besonders den Europäern vor, durch die Subventionierung ihrer Landwirtschaft und die Abschottung ihrer Märkte gegen Produkte aus der Dritten Welt die Entwicklung armer Länder zu blockieren.

Tatsächlich hat kaum ein Staat den Aufstieg geschafft, fallen auch Hoffnungsträger wie die Elfenbeinküste zurück. Das Land erlebte Jahrzehnte der Stabilität und ist heute der größte Kakaoproduzent der Welt. Rund drei Millionen Menschen aus den bitterarmen Nachbarländern fanden auf den Kakaoplantagen und in anderen Wirtschaftssektoren Arbeit. Doch die Boomzeiten sind passé. Die Preise auf dem Weltmarkt für Rohkakao fielen stetig, die Armut kehrte zurück und mit ihr das Chaos. Nach einem Putsch 1999 brachen vor zwei Wochen wieder Revolten aus. Die einst umworbenen Zuwanderer werden bedroht, ihre Häuser niedergebrannt. „Das Problem der Elfenbeinküste liegt auf der Hand. Solange das Land nur Rohkakao ausführt, kann es weder Geld verdienen noch genug Arbeitsplätze für die wachsende Bevölkerung schaffen", sagt Afrika-Experte Kohnert. Nur mit der Weiterverarbeitung des Kakaos zu Schokolade ließe sich die Wirtschaft ankurbeln. Doch die potenziellen Abnehmer, allen voran die EU, haben die Einfuhr von Schokolade begrenzt oder belegen Fertigprodukte mit Zöllen, um ihre eigene Industrie zu schützen. „Gleichzeitig verkauft die EU subventionierten Zucker und Weizen zu Dumpingpreisen nach Afrika und treibt damit die lokalen Märkte in den Ruin."

Die EU zeigt sich uneinsichtig. Handelskommissar Pascal Lamy bekräftigte vor wenigen Monaten in Berlin die europäische Haltung: „Niemand wird uns dazu bringen, unsere Subventionen völlig zu streichen." Für Kohnert ein fatales Signal: „Die in vergangenen Jahren ausgebauten Handelserleichterungen für frühere europäische Kolonien bleiben damit eine Mogelpackung.“

Die Unctad sieht in der Liberalisierung des Handels und der Entschuldung der ärmsten Länder „den Schlüssel für nachhaltiges und rasches Wachstum" – aus ihrer Sicht die wichtigste Voraussetzung für die Bekämpfung der Armut. Neu ist dieser Wachstumsansatz nicht. Auch die Strukturprogramme von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) setzten auf den so genannten „Trickle-Down-Effekt", darauf also, dass mit dem Aufschwung nicht nur die Eliten zu Wohlstand gelangen, sondern nach und nach auch die unteren Schichten. Doch der Aufschwung blieb aus, und durch die auferlegte Budgetdisziplin wurden die afrikanischen Regierungen gezwungen, selbst Ausgaben für Bildung und Gesundheit zu reduzieren - mit fatalen Folgen für die Armen. IWF und Weltbank haben ihre Programme zwar inzwischen sozialer gestaltet, ein Durchbruch ist aber weiter nicht in Sicht.

In Berlin wehrt man sich indes dagegen, die Misserfolge allein den Industriestaaten anzulasten: „Die Entwicklungsländer müssen zunächst die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung schaffen: Frieden, Sicherheit und eine gute Regierungsführung", sagt Günter Bonnet vom deutschen Entwicklungsministerium. Den politischen Willen dazu sieht er durchaus: „In Afrika gibt es auf allen Ebenen Kräfte, die einsehen, dass interne Reformen überfällig sind." Doch von der Einsicht bis zur Reform ist der Weg mitunter lang. Nicht nur in Afrika. In Europa weiß man schließlich längst, dass die bisherige Agrarpolitik ein Auslaufmodell ist.

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