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Politik: Europa in 16 Artikeln

Der Konvent legt Vorschläge für eine Verfassung vor. Einig ist sich die EU aber nur darüber, dass sie einen Außenminister haben will

Der EU-Reformkonvent ist in die Schlussphase seiner Arbeit eingetreten. Das Präsidium hat die ersten 16 Verfassungsartikel vorgelegt, die die Werte, Ziele und Zuständigkeiten der Gemeinschaft beschreiben. Die 105 Konventsmitglieder können jetzt Änderungsanträge stellen. Dann beginnt der schwierige Teil: Die Entscheidung über die künftigen Institutionen Europas und damit die Machtverteilung in der Gemeinschaft.

Bis Juni soll sich der Konvent auf den Entwurf für eine europäische Verfassung einigen und zumindest das Präsidium ist entschlossen, den Zeitplan einzuhalten. Die Debatten der vergangenen elf Monate haben zu Konsens in Einzelfragen geführt: das Vetorecht der Mitgliedstaaten soll eingeschränkt, das Europaparlament gestärkt werden. Für die Charta der Grundrechte und den gemeinsamen Außenminister zeichnet sich ebenfalls breite Zustimmung ab.

Dennoch brechen immer wieder Fronten auf; denn Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Konventspräsident Giscard d’Estaing betonte nach der letzten Debatte, dass die auseinander driftenden Positionen in der EU-Irakpolitik nicht durch veränderte Zuständigkeiten in der Union zu lösen seien. Das Ziel, eine gemeinsame Außenpolitik zu erarbeiten, existiert bereits seit dem Vertrag von Maastricht 1992. Dass es noch nicht verwirklicht werde, mache die Arbeit dafür nur um so notwendiger.

Die jetzt vorgestellten Vorschläge zur Kompetenzaufteilung und zur Sozialstaatlichkeit lassen jedoch ebenfalls deutliche Gegensätze erwarten. So forderte die Konventsarbeitsgruppe „Soziales Europa“ nicht nur die soziale Marktwirtschaft als Ziel der EU in die Verfassung zu schreiben, sondern auch Vollbeschäftigung.

Auch die Vorschläge zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sind alles andere als unumstritten. Konventspräsident d’Estaing schlägt vor, der EU die alleinige Zuständigkeit unter anderem bei der Freizügigkeit für Bürger, Waren, Kapital und Dienstleistungen zu überlassen. Geteilt soll die Zuständigkeit beim Binnenmarkt, der Agrarpolitik, bei Verkehr-, Energie-, Sozial-, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherpolitik werden.

Die Mehrheit der Delegierten trat dafür ein, die Regionen in der Verfassung zu verankern und ihre Rechte zu stärken. Die EU-Kommission solle ihre Initiativvorschläge künftig den nationalen Parlamenten vorlegen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel verlangt, dass gesetzgebende Körperschaften das Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof erhalten. Manchen Delegierten fehlt auch der Gottesbezug in der Verfassung, in den Entwürfen zu den ersten 16 Artikeln findet er sich nicht. Es sei kein gemeinsamer Wert, weil nicht alle Europäer an einen christlichen Gott glaubten, so die Begründung des Präsidiums. Giscard kündigte jedoch an, die Rechtsstellung der Kirchen, wie sie im Amsterdamer Vertrag festgelegt sei, in die Verfassung aufzunehmen. Und sie soll einen Hinweis auf das gemeinsame kulturelle, geistige und religiöse Erbe der Europäer enthalten.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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