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Der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, spricht am 02.07.2016 auf einer Regionalkonferenz in Berlin.

© Wolfgang Kumm/dpa

Update

Europa-Kongress der SPD: Gabriel will jungen Briten deutsche Staatsbürgerschaft anbieten

SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert in Berlin die soziale Neuausrichtung der EU und eine kleinere EU-Kommission. In der Brexit-Debatte geht er deutlich auf Distanz zur Union.

Von Hans Monath

Angesichts der Krise in Europa nach der Brexit-Entscheidung hat die SPD ein kämpferisches Bekenntnis zur Europäischen Union und ihren Errungenschaften abgelegt. SPD-Chef Sigmar Gabriel, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderten auf einer Europa-Konferenz ihrer Partei in Berlin am Sonnabend unter dem Beifall der Delegierten zugleich eine soziale Neuausrichtung des EU-Projekts.

Zudem müsse ein entschiedener Umgang mit der britischen Regierung verhindern, dass es Nachahmer in der EU geben werde, sagte Gabriel. In anderen EU-Ländern lebenden jungen Briten solle mit einer doppelten Staatsbürgerschaft die Möglichkeit gegeben werden, EU-Bürger zu bleiben. Nötig sei eine "Entgiftung" der EU von nationalistischen Blickweisen.

„Europa ist der beste Platz der Welt für Freiheit, für Demokratie und für die Chance auf sozialen Fortschritt“, sagte Gabriel. Die Aufgabe nach dem Brexit laute nun, Europa besser zu machen. Die EU müsse ihre drei Grundversprechen besser einhalten, um den Zerfall der EU zu verhindern und das Vertrauen der Menschen zurückzuerobern. Dabei gehe es um Frieden, Wohlstand für alle und Demokratie. Der Binnenmarkt sei wichtig, aber er müsse „auch die Menschen schützen“. Wettbewerb dürfe „nicht dazu führen, dass immer mehr Menschen ihre Jobs verlieren“. Zentral sei eine Politik für mehr Wachstum und Arbeitsplätze.

„Das Wichtigste ist, dass wir aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt endlich auch einen Wachstumspakt machen“, sagte der Parteichef. Dazu forderte er mehr Investitionen in Arbeit, Forschung und Bildung. Zudem müsse das Steuersystem in der EU gerechter gestaltet werden und die Steuervermeidung gestoppt werden. Es könne nicht sein, dass eine Bäckerei brav Steuern zahle, während die Niederlassung eines internationalen Konzerns nebenan davon befreit sei.

"Kein Spiel mit dem Feuer, nur weil das eure Freunde sind!"

In der Brexit-Debatte ging Gabriel deutlich auf Distanz zur Union. „Der Brexit selbst gefährdet Europa nicht“, meinte er. Europa sei nur gefährdet, wenn man falsch damit umgehe. Niemand dürfe Nachahmer ermuntern, Europa noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen. An die Adresse von CDU und CSU sagte der SPD-Politiker: „Kein Spiel mit dem Feuer, nur weil das eure Freunde sind oder waren!“ Die deutschen Konservativen hätten „eine große Verantwortung dafür, dass sie nicht auch noch Europa spalten“, warnte er. Kanzleramtsminister Peter Altmaier plädierte am Wochenende dagegen dafür, den Ausgang der britischen Debatte über den Brexit abzuwarten.

Gabriel erneuerte in diesem Zusammenhang seine Kritik an der EU-Kommission, die nationalen Parlamente nicht an der Ratifizierung des Handelsabkommens Ceta mit Kanada zu beteiligen, sondern das Europäische Parlament entscheiden zu lassen. "Törichter kann man nicht sein. Das zerstört das Vertrauen in die europäische Demokratie", kritisierte der Wirtschaftsminister. Er wies auch die Unions-Kritik an der Warnung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gegen "Säbelrasseln" der Nato in Osteuropa zurück. Der SPD-Chef forderte zudem eine kleinere EU-Kommission, die derzeit noch 28 Kommissare hat. Dies würde bedeuten, dass nicht mehr jedes Mitgliedsland einen Kommissarsposten erhalten würde.

Für mehr Steuergerechtigkeit plädierte auch Schulz. Die EU-Verträge müssten nicht geändert werden. Künftig müsse das Prinzip gelten, dass Gewinne in dem Land versteuert würden, in dem sie anfallen. Auch müssten in der gesamten EU Steuermindestsätze gelten.

Steinmeier wies darauf hin, dass Deutschland sehr sensibel vorgehen müsse, weil von ihm jetzt einerseits mehr Führung in der EU verlange werden, andererseits genau diese Führung bei anderen aber auf Kritik stoße. Die Europäer müssten sich zudem bei ihren internen Debatten klarmachen, wie wichtig der Erfolg und der Zusammenhalt der EU für andere Regionen wie Nordafrika oder den Kaukasus seien.

Am Rande der Veranstaltung wiesen Delegierte nach dem Doppelauftritt von Gabriel und Schulz darauf hin, dass die Frage des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 weiter offen ist. Schulz hatte in seiner Rede daran erinnert, dass er als Spitzenkandidat der Europawahl 2014 sowohl die Wahlbeteiligung als auch das SPD-Ergebnis gesteigert hatte. Seinen emotionalen Auftritt bedachte der Konvent mit mehr spontanem Applaus als den des Parteichefs. In der SPD gilt es als sicher, dass Schulz die Aufgabe des obersten Wahlkämpfers 2017 gern übernehmen würde, falls Gabriel verzichtet.

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