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Böse Erinnerungen. Noch immer finden sich Minen aus den Kriegen der 90er-Jahre.

© dpa

Europa: Ohne Datum

Bessere Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo, mehr Rechtsstaatlichkeit: Was die Europäische Union von den Beitrittskandidaten auf dem Balkan fordert.

Zagreb - Serbien bekommt kein Datum für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen. Erweiterungskommissar Stefan Füle stieg sofort, nachdem am Mittwoch die Fortschrittsberichte für die EU-Anwärter veröffentlicht wurden, ins Flugzeug nach Belgrad. Dort hatte der serbische Premier Ivica Dacic bereits seinen Unmut bekundet. Er sei „verstört“ über die Forderung der EU-Kommission an Serbien, die „territoriale Integrität des Kosovo“ zu respektieren. Diese könne das Ende für den Dialog mit dem Kosovo sein, warnte Dacic. „Vielleicht wäre es ehrlicher gewesen, Serbien zu fragen, den Kosovo anzuerkennen, als seine staatliche Integrität anzuerkennen.“ Die von Dacic angesprochene Forderung ist allerdings in dem EU-Report gar nicht zu finden.

Die Kommission fordert eine sichtbare und nachhaltige Verbesserung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo, „so dass beide auf ihrem Weg zur EU fortschreiten können, während vermieden wird, dass der eine den anderen in diesen Bemühungen blockieren kann“. Die bisherigen Vereinbarungen müssen also umgesetzt werden und der durch die Wahlen in Serbien ins Stocken geratene Dialog zwischen Belgrad und Prishtina fortgesetzt werden. Lob gab es für die Durchführung der Wahlen in Serbien, Kritik an der mangelhaften Rechtsstaatlichkeit.

Bisher wurden zwar Fortschritte erzielt – so können Kosovaren mit ihren Personalausweisen nach Serbien einreisen. Doch Serbien hat etwa die Vereinbarung, dass serbische und kosovarische Beamte gemeinsam die Grenzübergänge kontrollieren sollen, nicht umgesetzt. Dieses Abkommen ist für die neue Regierung in Belgrad heikel, denn zwei der Grenzübergänge befinden sich im serbisch besiedelten Nordkosovo. Dacic sprach sich jüngst für eine Teilung des Kosovo aus, der serbisch besiedelte nördliche Teil sollte Serbien zufallen. Dies stünde im Widerspruch zur Vereinbarung über das gemeinsame Grenzmanagement. Westlichen Staaten, allen voran die USA, aber auch Deutschland, sind gegen eine Teilung des Kosovo, weil sie als Konsequenz Separationswünsche der Serben in Bosnien-Herzegowina und der Albaner in Südserbien und in Mazedonien fürchten.

Dem Kosovo selbst wurde am Mittwoch ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU in Aussicht gestellt. EU-Rechtsexperten stellten fest, dass ein solches Abkommen prinzipiell machbar ist, obwohl fünf EU-Staaten den Kosovo nicht anerkennen: Spanien, Rumänien, Zypern, die Slowakei und Griechenland.

Auch beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel stand der Kosovo auf der Agenda. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) forderte eine Umgruppierung der Nato-Truppe Kfor in den Norden des Kosovo. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, er denke, dass es „in den kommenden Monaten zu einer Neugewichtung“ der Soldaten kommen werde. Deutschland stellt mit 1300 von 6148 Kfor-Soldaten nicht nur das größte Kontingent. 700 deutsche Soldaten gehören auch zu dem Bataillon, das im Norden des Kosovo im Einsatz ist, wo es immer wieder zu Ausschreitungen kommt. Bereits 2011 und dieses Jahr im Juni wurden Bundeswehrsoldaten im Nordkosovo verletzt. Nach dem Wunsch de Maizières sollen alle Kfor-Soldaten im Norden zum Einsatz kommen. Derzeit sei Deutschland zusammen mit Österreich und Italien über Gebühr belastet. „Das ist nicht korrekt“, sagte de Maizière. Das Militärbündnis will zudem die Sicherheitslage im Norden einer Überprüfung unterziehen.

Die EU-Kommission setzt in ihrer Erweiterungsstrategie auf dem Balkan weiter auf das „Regatta-Prinzip“. Jedes Land wird nach eigenen Kriterien beurteilt, wer vorzieht, soll die anderen zu mehr Ehrgeiz bewegen. Vor dem EU-Beitritt am 1. Juli 2013 hat Kroatien noch einen Aufgabenkatalog von zehn Punkten zu erfüllen: Dazu gehört die Privatisierung der Schiffswerften oder auch die Klärung von Grenzproblemen mit Bosnien. Geht es nach der EU-Kommission, soll Albanien den Kandidatenstatus bekommen, nachdem im Vorjahr die monatelange Blockade im Parlament aufgehoben werden konnte. Entschieden wird das allerdings von den EU-Mitgliedstaaten. Und unter ihnen gibt es immer wieder Vorbehalte.

Im Fokus der Fortschrittsberichte stand auch jetzt der Aufbau eines unabhängigen und effizienten Justizsystems, um gegen Korruption und das organisierte Verbrechen vorgehen zu können. Die Probleme in Rumänien und Bulgarien nach dem Beitritt 2007 hatten zur Folge, dass Brüssel schon während der Beitrittsverhandlungen sowohl die Reformanforderungen als auch die Überprüfungsgmöglichkeiten verschärfte. Adelheid Wölfl

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