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EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy glaubt nicht, dass Europa mit den Asylbewerbern überfordert ist.

© AFP

Europa-Rede: Van Rompuy sieht Reformbedarf in Deutschland

Nach der Ansicht des EU-Ratschefs Herman Van Rompuy müssen sich nicht nur die Krisenstaaten in der Euro-Zone anstrengen. Auch in Deutschland sieht der Belgier angesichts der Überalterung der Gesellschaft und der hohen Energiepreise Reformbedarf.

Nach der Ansicht des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy ist die EU bei der Aufnahme von Flüchtlingen keineswegs überfordert. Die Zahl der Asylbewerber sei für die EU-Staaten zu verkraften, sagte Van Rompuy am Samstag bei einer Europa-Rede in Berlin.

Der Ratspräsident rechnete vor, dass im vergangenen Jahr auf eine Million EU-Bürger rund 200 anerkannte Asylbewerber gekommen seien. Fast drei Viertel aller Schutzbedürftigen hätten Asyl in Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien und Belgien beantragt, sagte Van Rompuy. Deutschland gehöre aber nicht zu den Ländern, die pro Kopf die meisten Flüchtlinge aufnähmen – im Gegensatz zu Malta, Schweden und Luxemburg.

Van Rompuy erinnerte daran, dass die EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien im Vergleich zu den Nachbarländern des Bürgerkriegslandes wenig unternehmen: Während die EU-Länder seit dem Beginn des Bürgerkriegs vor zwei Jahren rund 40 000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hätten, seien inzwischen zwei Millionen Menschen vor den Auseinandersetzungen nach Jordanien, in den Libanon und in die Türkei geflohen.

Mit Blick auf die Euro-Krise wandte sich Van Rompuy gegen die Kritiker des Sparkurses in den Krisenländern. Man dürfe sich übersehen, dass die Probleme in einigen der betroffenen Länder hausgemacht seien. Der EU-Ratschef sprach sich dagegen aus, den Krisenstaaten mehr Zeit für die nötigen Reformen zu geben - letztlich laufe dies auf höhere Hilfskredite hinaus.

Van Rompuy lobte, dass die Produktivität seit dem Beginn der Krise vor allem in den Ländern an der Peripherie der Euro-Zone - etwa in Spanien, Portugal oder Irland - gestiegen sei. Er warnte die Länder im Norden der Euro-Zone davor, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Auch in Deutschland gebe es Reformbedarf, sagte der Belgier. Der Ratschef nannte dabei die Überalterung der Gesellschaft, die Qualität des Straßennetzes und der Dienstleistungen sowie die hohen Energiekosten.

Der Brüsseler Gipfelpräsident setzte sich zudem mit dem Zulauf populistischer Parteien in Europa auseinander. Der Erfolg dieser Parteien sei ein Zeichen der Krise traditioneller Politik in vielen EU-Mitgliedstaaten, sagte er. Van Rompuy appellierte an die EU-Spitzenpolitiker, ihren Wählern reinen Wein einzuschenken. Zu den Wahrheiten, die Europas Politiker gegenüber der Bevölkerung zu vermitteln hätten, gehöre die Tatsache, „dass es keine schnellen Lösungen gibt, dass es dauert, bis Reformen zu Wachstum und Arbeitsplätzen führen“. Das Rezept gegen die Euro-Krise liege letztlich in wirtschaftlicher Erneuerung und nicht in neuen Finanztöpfen oder Euro-Bonds, erklärte Van Rompuy.

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