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Angela Merkel will die Richtung in der Euro-Krise vorgeben.

© AFP

Europa vor dem Gipfel-Marathon: Merkel will Athen mehr Schulden erlassen

Die Rettung überschuldeter Staaten und des Euro stellt die EU auf eine Nervenprobe. Am Wochenende soll in strittigen Fragen Einigkeit erzielt werden. Unterdessen geben die Euro-Finanzminister in Brüssel die nächste Hilfszahlung an Griechenland frei.

Vor dem EU-Doppelgipfel am Sonntag und Mittwoch mehren sich die Anzeichen, dass Griechenland einen größeren Teil seiner Schulden erlassen bekommt als bislang geplant. Die Euro-Finanzminister entschieden am Freitagabend in Brüssel, dass das zweite Hilfspaket - bislang 109 Milliarden Euro - aufgestockt werden müsse. Griechenlands wirtschaftliche Lage habe sich seit der letzten Prüfung verschlechtert. Konkrete Zahlen nannten die Minister nicht. In der Erklärung ist davon die Rede, dass das neue Programm „die zusätzliche öffentliche Finanzierung und Privatsektorbeteiligung kombinieren“ werde. Damit ist in jedem Fall eine höhere Beteiligung der Banken und Versicherungen über die bisher vereinbarten 21 Prozent hinaus anvisiert.

Zudem gaben die Minister die nächste Tranche der Notkredite für Athen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro frei. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Freitag vor der Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben, man nähere sich dem Punkt, an dem der bisher vorgesehene Schuldenschnitt für Athen nicht mehr ausreiche. Inzwischen wird über einen Verzicht in Höhe von 40 bis 60 Prozent gesprochen. Dadurch könnte Athen ein wirtschaftlicher Neustart gelingen. In diesem Jahr dürfte die Gesamtverschuldung Griechenlands mehr als 160 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen. In Berliner Regierungskreisen hieß es am Freitag, es wäre wünschenswert, wenn Athen den Schuldenstand bis 2020 auf rund 120 Prozent drücken könnte.

Die Dramatik der Lage Griechenlands machte am Freitag der neueste Bericht der sogenannten Troika deutlich. Die Experten der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) schreiben, dass Athen für die nötigen Reformen mehr Zeit brauche, auch wenn Fortschritte anerkannt werden. Das Wachstum ist demnach aber zu gering, ohne eine Aufstockung der Hilfen werde der Schuldenstand 2020 immer noch bei 152 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung liegen. Bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent seien dagegen 120 Prozent erreichbar. Der zusätzliche Finanzbedarf wird in dem Bericht auf 252 Milliarden Euro geschätzt.

Erst 2021 würde Griechenland demnach wieder aus eigener Kraft kapitalmarktfähig sein. Die Bundesregierung will sich beim Gipfel dafür einsetzen, dass Griechenland unter die permanente Kontrolle der Troika gestellt wird, um so den Fortschritt bei der Haushaltskonsolidierung besser überwachen zu können. Bislang reisen die Kontrolleure der EZB, der EU-Kommission und des IWF alle drei Monate nach Athen, um sich über den Stand der Reformen zu informieren. Dieses Vorgehen „fordert uns allen zu viele Nerven ab“, hieß es.

Die Euro-Finanzminister sollen bis Samstagmittag Ergebnisse für eine Rekapitalisierung der Banken vorlegen, verlautete aus Berliner Regierungskreisen. Geldinstitute, die im großen Stil in Anleihen kriselnder Euro-Länder investiert haben, müssen sich angesichts eines größeren Schuldenschnitts für Athen darauf einstellen, ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Ungelöst blieb zunächst die Frage, wie der Euro-Rettungsfonds EFSF per Hebelwirkung verstärkt werden kann, um Länder wie Italien oder Spanien vor einem Übergreifen der Griechenland-Krise zu schützen. Hier lagen Deutschland und Frankreich im Streit.

Der französische Finanzminister François Baroin deutete aber Kompromissbereitschaft an. Die von Paris gewünschte Umwandlung des EFSF in eine Bank sei „wahrscheinlich die effizienteste Lösung“, sagte er. „Aber wir machen daraus auch keinen Konfliktpunkt.“ Es gebe einen gemeinsamen Willen voranzukommen. (mit dpa/AFP/rtr)

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