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Reinhard Bütikofer ist Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei und seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments.

© dpa

Europäische Klimapolitik: "Der Klimagipfel 2015 dürfte eine ziemliche Blamage werden"

Am Mittwoch hat die EU-Kommission ein neues Klimaziel bis 2030 vorgeschlagen. Der Ausstoß der Treibhausgase soll bis 2030 um 40 Prozent sinken, der Anteil erneuerbarer Energien bei 27 Prozent liegen. Das ist alles andere als ambitioniert, sagt der Co-Vorsitzende der Grünen Partei in Europa, Reinhard Bütikofer.

Die Europäische Kommission wird am Mittwoch ein mittelfristiges Klimaschutzziel vorschlagen. Aller Voraussicht nach will sie nur noch eine Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 35 bis 40 Prozent im Vergleich zu 1990 vorschlagen. Was hätte das für Folgen?
Die Kohle wird auf absehbare Zeit in der Europäischen Union zu billig sein. Denn der Emissionshandel kommt so nicht in Gang. Seit Jahren sind zu viele Emissionsberechtigungen auf dem Markt. Mit dem Ergebnis, dass der Preis für eine Tonne Kohlendioxid bei der Entscheidung, welcher Brennstoff einsetzt wird, gar keine Rolle mehr spielt. Das wird es Deutschland schwer machen, seine Klimaziele, aber auch seine Ziele für die Energiewende zu erreichen.

Was bedeutet das für die europäische Wirtschaft?
Da kann man sich nur wundern. Europa ist dabei, im Kampf um Marktanteile und Innovation zurückzufallen: bei erneuerbaren Energien, Technologien mit niedrigem Kohlenstoffausstoß und bei Effizienztechniken. In der Solartechnik haben die USA, China und Japan Europa schon wieder abgehängt. Der jüngste Durchbruch in der Solartechnik, der die Effizienz auf mehr als 80 Prozent erhöhen könnte, ist beim Massachusetts Institute of Technologie (MIT) erzielt worden – nicht in Europa. Bei Effizienztechniken ist China unerwartet weit vorn.

Wie steht das Europäische Parlament zu dem Vorschlag?
Im Parlament haben der Umwelt- und der Industrieausschuss zumindest einmal beschlossen, dass es weiterhin drei Ziele geben sollte. Die sind nicht sehr ambitioniert: Die beiden Ausschüsse schlagen ebenfalls ein Emissionsminderungsziel von minus 40 Prozent vor, zugleich soll der Ausbau erneuerbarer Energien in der EU bis 2030 auf 30 Prozent steigen, und die Energieeffizienz soll um 40 Prozent verbessert werden.

Was bedeutet das für den entscheidenden Weltklimagipfel 2015 in Paris, wo ein neuer globaler Klimavertrag beschlossen werden soll?
Europa gibt den Anspruch auf, aktiv und gestützt auf eigene Leistungen internationale Klimapolitik voranzutreiben. Für die französische Regierung dürfte das 2015 eine ziemliche Blamage werden. Die französische Regierung ist nicht nur Opfer sondern auch Verursacher dieser Peinlichkeit. Denn sie setzt sich auch nicht für ambitionierte Ziele ein. Paris könnte für die europäische Politik noch aussichtsloser werden als schon bei dem Desaster des Kopenhagener Klimagipfels 2009.

Warum verabschiedet sich Europa von seiner Vorreiterrolle in der Klimapolitik?
Die Kommission wird mit unglaublichem Aufwand von Lobbyverbänden, von Industrieverbänden, darunter der BDI, und Unternehmen unter Druck gesetzt, nur noch ein Emissionsminderungsziel zu verkünden. Das hilft aber nicht der Industrie, sondern es ist eine Niederlagenstrategie, in der sich Europa da einrichtet, denn das gefährdet die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem der deutsche Energiekommissar Günther Oettinger betätigt sich als Bremser. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat ohnehin immer nur in Sonntagsreden für die ökologische Modernisierung der europäischen Industrie gefochten. Und Klimakommissarin Connie Hedegaard und Umweltkommissar Janez Potocnik haben sich als wenig durchsetzungsstark erwiesen.

Was hätte die EU von einer ambitionierteren Klimapolitik?
Es gibt interne Analysen der EU-Kommission, aus denen hervorgeht, dass ein Emissionsminderungsziel von minus 40 Prozent bis 2030 etwa 645 000 Arbeitsplätze schaffen könnte. Würde das kombiniert mit einem Ausbauziel für erneuerbare Energien von 30 Prozent und einer Erhöhung der Energieeffizienz um 40 Prozent wären es 1,25 Millionen neuer Jobs. Angesichts der europäischen Jugendarbeitslosigkeit ist es sträflich, diese Chancen nicht zu nutzen. Zumal gleichzeitig alle von einer Reindustrialisierung Europas träumen. Hier wäre ein Feld, in dem das geht.

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