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Europapolitik: CSU droht CDU mit Bummelstreik

Im Unionsstreit über die Europapolitik hat die CSU am Dienstag die Schrauben noch ein Stück weiter angezogen. Die Christsozialen stellen immer offener den Zeitplan infrage, den sich die Parteien im Bundestag bisher zur Umsetzung des Verfassungsurteils zum EU-Reformvertrag von Lissabon gesetzt haben.

Von Robert Birnbaum

„Inhalte stehen vor dem Zeitplan“, verkündete CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, als er zur Klausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag im fränkischen Kloster Banz eintraf. Und damit ganz klar war, was die Drohung meinte, fügte Dobrindt an: „Das kann im September sein, muss aber nicht zwingend im September sein.“

Die Ankündigung ist nicht nur politisch pikant, als sehr spezielle Art, die als Ehrengast am späten Nachmittag erwartete CDU-Vorsitzende und gemeinsame Kanzlerin Angela Merkel zu begrüßen. Dobrindts „Schaun-mer-mal“-Gestus ist für Merkel und die CDU eine glatte Kampfansage. Denn wenn eines bei der Schwesterpartei Konsens ist, dann, dass Deutschland die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags nicht über den Wahltag hinauszögern darf. Am 2. Oktober, eine Woche nach der Bundestagswahl, stimmen die Iren zum zweiten Mal über das Vertragswerk ab. Ein Deutschland, das die Mitwirkung seines Parlaments am vereinten Europa nicht auf die Reihe kriegt und deshalb nach dem Karlsruher Spruch den Vertrag nicht völkerrechtlich billigen kann, wäre ein gefundenes Fressen für irische Europagegner.

Das weiß Horst Seehofers General natürlich. Das Spiel mit dem Zeitplan dürfte taktischer Natur sein; so wie dezente Hinweise aus München, dass es zwischen CDU und CSU einen Fraktionsvertrag gebe, der der CDU verbiete, die CSU zu überstimmen. Das soll eine Lösung verhindern, die den Christsozialen nicht passt: Umsetzung der konkreten Forderungen des Verfassungsgerichts vor der Wahl – was die CSU darüber hinaus will, hat Zeit bis danach. So baut die CSU ein Drohgebäude auf, das auf gut Deutsch nur heißen kann: Wenn ihr uns nicht entgegenkommt, vermasseln wir Merkel den Wahlkampf. Das will aber natürlich keiner laut sagen. Horst Seehofer schon gar nicht. Als er am Nachmittag gemeinsam mit Merkel auf dem Klosterberg eintrifft, versichert der CSU-Chef im Gegenteil wieder einmal, dass die CSU „alles“ dafür tun werde, „damit Du Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland bleibst“.

Unter vier Augen hätte Merkel ihm wahrscheinlich geantwortet, sie hätte da so eine Idee. Weil reichlich Kameras dabei sind, drückt sie sich umständlicher aus: Die Schwesterparteien führten Diskussionen „im gegenseitigen Respekt und vor allem in dem Bewusstsein, dass Deutschland eine starke Union braucht und dass eine Union nur stark sein kann, wenn CDU und CSU gemeinsame Lösungen finden“. Auf gut Deutsch heißt der Bandwurmsatz ungefähr: Ich bin ja durchaus bereit, hier und da entgegen zu kommen, aber wenn der Zinnober noch länger so weiter geht, stehst Du als der Mann am Pranger, der die Union schwächt.

Die CDU-Chefin weiß dabei die eigene Partei auf ihrer Seite, in der Sache, aber auch quasi emotional. Beim vertraulichen Gespräch der Ministerpräsidenten am Donnerstag hatten die CDU-Kollegen nämlich Seehofer befragt, wie er mit dem Lissabon-Urteil umgehe. Seehofer hatte behauptet, er könne nichts sagen, erst müsse das in der CSU diskutiert werden. Dann fuhr er nach München und nordete die CSU- Spitze auf seinen harten Kurs ein. Die Kommentare auf CDU-Seite reichen von „Frechheit“ bis  „Feigheit“. „Der hat vor dem Konflikt mit uns einfach gekniffen“, empört sich ein Teilnehmer der Runde.

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