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Ihre Zusammenarbeit dürfte nicht einfacher werden: Frankreichs Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa

Europawahl 2014: Erfolg der Rechten - ein Denkzettel für die Kanzlerin

Die Europawahl lässt sich nicht als Protestwahl klein reden. Denn die Erfolge der Front National in Frankreich und der Ukip in Großbritannien stellen die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel ernsthaft in Frage.

Wer in Brüssel einen dramatischen Rechtsruck in Europa befürchtet hatte, hat am Morgen nach der Europawahl möglicherweise erst einmal tief durchgeatmet. Künftig werden zwar mehr Rechtspopulisten als bisher im EU-Parlament vertreten sein, aber ihr Einfluss in Straßburg dürfte doch begrenzt bleiben. Dennoch bedeutet das Ergebnis der Europawahl eine Zäsur. Eine engere Zusammenarbeit unter den EU-Mitgliedstaaten, wie sie sich beide Spitzenkandidaten, der Konservative Jean-Claude Juncker und der Sozialdemokrat Martin Schulz, wünschen, dürfte mit diesem Ergebnis nur schwer umzusetzen sein. Und das liegt weniger am Europaparlament als an zwei wichtigen europäischen Hauptstädten: London und Paris.
Es wird zwar noch einige Wochen dauern, bis die neuen Fraktionen im Europaparlament vollends Gestalt angenommen haben. Aber trotz der Erfolge der linksradikalen Syriza in Griechenland, der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich oder der euroskeptischen Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo in Italien ist die informelle große Koalition im Europaparlament sogar noch gestärkt. Paradox: In Straßburg dürften die EU-Gegner gerade wegen ihrer Erfolge ein engeres Zusammenrücken der beiden großen EU-freundlichen Fraktionen bewirken. Konservative und Sozialdemokraten werden enger kooperieren müssen, eben weil die Fraktionen an den Rändern stärker geworden sind.

Viel schwieriger wird hingegen die europapolitische Zusammenarbeit zwischen den Zentralen der drei größten EU-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Denn so ohne weiteres lässt sich die Wahl nicht als bedeutungslose Protestwahl abtun. In allen drei Ländern stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zur letzten Europawahl von 2009. Zwar taugt auch diese Wahl nur bedingt als Gradmesser für die Stimmung in den einzelnen Ländern. Aber ein Trend ist doch unverkennbar: Die EU-Skeptiker sind auf dem Vormarsch. In Deutschland erreichte die Euro-feindliche AfD aus dem Stand sieben Prozent, und in Großbritannien und in Frankreich liegen die EU-Gegner von der Ukip und der Front National sogar ganz vorn. Die Folgen für die Europapolitik dürften relativ bald zu spüren sein. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend in Brüssel zu einer ersten Beratung über das Wahlergebnis treffen, dann wird der britische Premier David Cameron sich wohl noch hartleibiger zeigen als ohnehin. Cameron will weder Juncker noch Schulz auf dem Posten des EU-Kommissionschefs sehen. Angesichts des Erfolges der Ukip dürfte er nun erst recht seine Zustimmung verweigern, falls die Staats- und Regierungschefs Juncker als neuen EU-Kommissionschef vorschlagen sollten.

Die generelle EU-Skepsis ist in Großbritannien kein Novum. In Frankreich kommt es hingegen einem politischen Erdbeben gleich, dass die Front National bei einer landesweiten Wahl erstmals auf dem ersten Platz gelandet ist. Ähnlich wie beim „Nein“ der Franzosen zur EU-Verfassung im Jahr 2005 scheint das Nachbarland wieder den gesamten Kurs bei der Europapolitik in Frage zu stellen. Und so wie Cameron durch den Erfolg der Ukip unter Druck gerät, wird auch Frankreichs Präsident François Hollande für den Rest seiner Amtszeit ein sehr schwieriger europapolitischer Partner für Bundeskanzlerin Angela Merkel werden. Merkels Euro-Politik, die sowohl auf Solidität als auch auf Solidarität zielt, droht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Es wäre nicht überraschend, wenn Hollande demnächst die haushaltspolitische Konsolidierung, die Merkel und die EU-Kommission in Brüssel von ihm erwarten, vollends schleifen lassen würde. Nach dem gescheiterten französischen Referendum über die EU-Verfassung verordneten sich die Mitgliedsländer 2005 erst einmal eine Denkpause. Es scheint, als wäre die Zeit für eine solche europapolitische Denkpause wieder gekommen.

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