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Europawahl: "Doro, was machen wir jetzt mit denen?"

Konfus im Vollzug, einig in der Sache: Wie die CSU sich in Deggendorf auf die Europawahl einschwört.

Im Bayerischen Fernsehen erfreut sich seit Jahren eine Sendung mit dem Titel „Jetzt red i!“ recht großer Beliebtheit: Sie gehorcht inhaltlich dem Prinzip des erweiterten Stammtisches, weil nahezu jeder, dem vor Ort ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird, seinen thematischen (oder eben oft auch sujetfremden) Senf dazugeben darf. Der Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt, dessen Namen man auch Monate nach seiner Bestallung vorsichtshalber noch einmal nachschlägt, scheint von diesem Programmangebot stark geprägt; jedenfalls hat er die Mechanismen von „Jetzt red i!“ auch auf den der Europawahl im Juni gewidmeten kleinen CSU-Parteitag am Samstag im niederbayerischen Deggendorf übertragen lassen. Dobrindt und seine Stellvertreterin Dorothee Bär übernehmen die Moderation, als die zehn CSU-Kandidaten für die Europawahl vorgestellt werden. Aber weil von denen auffällig viele eher unverbindliche Schnurren aus dem Familienleben zum Besten geben, wird nach einer quälend langen halben Stunde klar, warum Dobrindt zu Anfang von links nach rechts über die Bühne gerufen hatte: „Doro, was machen wir jetzt mit denen?“

Gleichwohl geht die CSU entspannt in diesen Tag, weil sie bei der Europawahl nach neuesten Umfragen mit 45 Prozent in Bayern rechnen darf. Das ist nicht doll gegenüber den 57 Prozent vom letzten Mal, aber es würde reichen, und der Vorsitzende Horst Seehofer ist schon froh, „dass wir momentan nicht mehr nur draufkriegen, wenn wir auftreten“.

Der kleine Coup des Deggendorfer Konvents vollzieht sich auf einer anderen Ebene. Es ist nämlich nicht der Auftritt des „Schwaben-Clooney“, als den Dorothee Bär allen Ernstes den Spitzenkandidaten der CSU, Markus Ferber, bezeichnet, sondern die Sitzordnung, welche zunächst ein wenig staunen lässt. Stuhl an Stuhl, wenn auch mit einigem Sicherheitsabstand, hocken nämlich der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber und der „designierte Ehrenvorsitzende“ Theo Waigel. Und sie reden sogar miteinander. Edmund Stoiber verheddert sich dabei in seiner „Bayern first“-Ansprache wie gewohnt in Satzkaskaden, die an schlimmste Kanzlerkandidatenzeiten erinnern. Theoretisch tritt er in seiner Funktion als „Mister Entbürokratisierer“ (Bär) an, praktisch schreit noch einmal der alte Überministerpräsident aus ihm.

Anders Waigel, und das billigt ihm hernach sogar Stoiber zu. Zu keiner Zeit, sagt er, sei es im Saal so ruhig gewesen wie während der Minuten, in denen Theo Waigel aus den Briefen zitierte, die sein im Krieg gefallener Bruder nach Hause geschickt hatte. Die Heimat sah er nicht mehr. Waigel, der Mit-Vater des Euro, begründete, warum Europa als Friedenswerk ohne Alternative sei – und warum es der CSU gut anstünde, sich dessen ständig bewusst zu sein.

Horst Seehofer, wiederum damit kokettierend, er befinde sich ja längst im „letzten Lebensabschnitt“, mochte das alles bekräftigen, betonte das alte Nein zur Türkei als Vollmitglied, erneuerte die Forderung nach Volksabstimmungen, lobte die Regionalität und war darüber hinaus als oberster Familienzusammenführer sichtlich froh, dass er seine beiden Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden noch einmal in ein Boot hatte setzen können. Für einen Samstagvormittag lang. Aber immerhin an der Donau.

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