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Sieger im TV-Duell. Aus einem Schlagabtausch im britischen Fernsehen ging der Chef der Anti-Europa-Partei Ukip, Nigel Farage, als Sieger hervor.

© AFP

Europawahl: Ukip-Partei könnte stärkste Kraft in Großbritannien werden

Die britische Anti-Europa-Partei Ukip könnte bei der Stimmabgabe im Mai stärkste Kraft in Großbritannien werden. Bei einer TV-Debatte verbuchte ihr Chef Nigel Farage schon einmal einen Punktsieg.

Nigel Farage, der Chef der britischen Anti-Europa-Partei Ukip, ist der Schreck des Establishments. Erst stärkte er sich im „Westminister Arms“ mit einem Bier, dann rauchte er noch eine Zigarette und eilte schließlich ins Fernsehstudio. Die TV-Debatte mit dem liberaldemokratischen Vizepremier Nick Clegg lieferte am Mittwochabend den Startschuss für den britischen Europawahlkampf.

Clegg war der einzige Parteichef, der vor einer Debatte mit dem Vorsitzenden der Ukip-Partei nicht kniff. Die Parteiführer der größten Parteien, Ed Miliband von Labour und Premier David Cameron von den Konservativen, haben zum Angstthema Europa derart komplizierte Positionen, dass sie lieber nicht darüber reden. Erst recht nicht mit Nigel Farage.

„Ist es wahr oder nicht, dass wir eine völlig offene Tür für 485 Millionen Menschen haben, davon viele aus armen Ländern“, fragte Farage in der TV-Debatte immer wieder und spielte damit auf die Freizügigkeit innerhalb der EU an. Am Ende beantwortete er die Frage selbst: „Die Antwort lautet Ja, weil wir Mitglied der EU sind und die Möglichkeit verloren haben, unser Land selbst zu regieren und unsere Grenzen zu kontrollieren.“

Clegg hielt dagegen und argumentierte, dass in Großbritannien Millionen von Arbeitsplätzen verloren gehen würden, „wenn wir die Zugbrücke zu Europa hochziehen“. Großbritannien habe dank der EU „mehr Einfluss“ in der Welt als allein. Farage erwiderte, dass aus Cleggs Argumenten mangelndes Selbstvertrauens spreche: „Sie denken, Großbritannien sei nicht gut genug und zu klein, um selber zu entscheiden, mit wem wir Handel treiben.“

Clegg verletzte eine goldene Regel der britischen Politik, als er Farage zu dem Rededuell einlud und den Außenseiter, der bisher vom Establishment ignoriert wurde, ins Zentrum des Geschehens holte. Es war eine Verzweiflungstat: Die Liberaldemokraten stehen bei den Europawahlen vor einer schweren Niederlage. Sie könnten auf Platz fünf noch hinter den Grünen enden.

Farage dagegen ist kaum zu bremsen. Eine Umfrage in der Zeitung „Independent“ gab der Ukip-Partei Mitte März 30 Prozent. Damit landete die Anti-Europa-Partei noch vor Labour (28 Prozent), den Konservativen (21 Prozent) und den Liberaldemokraten (acht Prozent). Farage ist seinem Wunschziel nahe, Gewinner der Europawahl zu werden und „ein politisches Erdbeben auszulösen“. Eine Wahlschlappe der Konservativen hätte „schlimme Konsequenzen für Cameron“, glaubt er. 46 Hinterbänkler reichen, um eine Neuwahl des Tory-Parteiführers zu erzwingen.

Daraus mag Wunschdenken sprechen. Aber seinem Wahlziel kam Farage mit dem TV-Auftritt vom Mittwochabend näher. Nächste Woche findet eine Neuauflage der Debatte in der BBC statt. Eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstitutes Yougov erklärte Farage mit 57 Prozent zum haushohen Sieger. Für Clegg mochten sich nur 36 Prozent der Befragten erwärmen. Mochte der Pro-Europäer Clegg mehr Fakten auf seiner Seite haben, Farage hatte die klarere Botschaft.

Der Wahlkampf wird zeigen, wie groß die Distanz der Briten zu Europa ist. Labour-Chef Ed Miliband sieht den Wahlkampf nur als Probelauf für die Unterhauswahl 2015. Er will nicht über Europa, sondern die Lebenshaltungskosten und die unfaire Gesellschaft reden. Zu dieser Distanz gehört auch, dass die Labour-Partei, obwohl sie Mitglied in der Fraktion der Sozialisten im Europaparlament ist, deren Spitzenkandidaten Martin Schulz ausdrücklich ablehnt. „Seine Europa-Vision ist nicht unsere“, sagte ein Sprecher der Labour-Partei. Schulz gilt mit seinem europäischen Föderalismus bei den Briten als EU-Extremist.

Auf der anderen Seite hat sich Farage von ultrarechten Gruppen wie Marine Le Pens Front National in Frankreich oder Geert Wilders’ niederländischer Freiheitspartei abgegrenzt. „Le Pen ist besser als ihr Vater, aber in ihrer Partei ist der Antisemitismus verwurzelt“, sagt Farage. Der Sieg der Ukip-Partei werde zeigen, „dass der Euro-Skeptizismus in Großbritannien durch das ganze Spektrum von links bis rechts geht“, sagte Farage voraus.

Auch die konservativen Tories haben sich im Europaparlament von ihrer alten Parteigruppe, der EVP, gelöst, weil sie das Europamodell einer „immer engeren Union“ ablehnen. Da mitzumachen, wäre „unehrlich“, hatte Cameron gesagt. Er dürfte im Europawahlkampf damit werben, dass die Konservativen die Einzigen sind, die ein EU-Referendum anbieten können – sofern sie die Wahl 2015 gewinnen. Das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU soll nach dem Wunsch Camerons 2017 stattfinden.

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