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Tatjana Festerling präsentiert beim Pegida-Treffen im tschechischen Roztoky den Titel des "Time"-Magazins, das sich der Anti-Islam-Bewegung aus Dresden widmet.

© René Volvik/dpa

Update

Europaweite Demonstrationen geplant: Polnische Nationalisten werfen Pegida "Germanisierung" vor

Die Pegida-Bewegung will am Samstag in zehn Ländern demonstrieren. In Dresden macht ein breites Bündnis dagegen mobil. In Breslau wurde die Kundgebung wieder abgesagt.

Von Matthias Meisner

Pegida hat für Samstag in 13 europäischen Städten unter dem Motto "Festung Europa" zu einer "internationalen Demonstration gegen Masseneinwanderung und Islamisierung" aufgerufen. Erwartet werden allein in Dresden - dorthin soll es Live-Schaltungen geben - rund 10.000 Teilnehmer. Kundgebungen sind unter anderem in den polnischen Städten Warschau und Krakau, in der tschechischen Hauptstadt Prag sowie in der slowakischen Hauptstadt Bratislava geplant.

In Breslau wird es am Samstag jedoch, anders als angekündigt, keine antiislamische Demonstration geben. Die Organisatoren von "Pegida Polska" sagten die Veranstaltung mit geschätzten 300 Teilnehmern am Freitag kurzfristig ab. Über soziale Medien erklärten sie, von nationalistischen Fußballfans telefonisch bedroht worden zu sein.

Diese hätten den Pegida-Organisatoren vorgeworfen, die Stadt "insgeheim germanisieren" zu wollen und dem polnischen Staat zu schaden. Die polnischen Pegida-Ableger sollten die Organisation der Demonstration entweder der "Patriotischen Bewegung" übergeben oder sich damit abfinden, dass die Veranstaltung nicht stattfinde. Eine Gegendemonstration unter dem Motto "Breslau gegen den Hass" wird es trotz der Pegida-Absage geben.

In Warschau wird Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling als Rednerin erwartet, Pegida-Organisator Siegfried Däbritz soll in Bratislava sprechen. Aufmärsche von Pegida sind auch in Amsterdam, Granz, Birmingham, im estnischen Tartu, den französischen Städten Montpellier, Bordeaux, Saint Brieuc sowie - als erste Veranstaltung von Pegida Irland - in Dublin angekündigt.

Tausende wollen in Dresden gegen Pegida demonstrieren

Dresden macht gegen an diesem Samstag europaweit geplante Demonstrationen der rechtspopulistischen Pegida-Bewegung mobil. Das Bündnis "Herz statt Hetze" ruft für Samstag zusammen mit dem DGB zum Protest auf dem Theaterplatz auf. Zur Kundgebung vor der Semperoper werden rund 8.000 Teilnehmer erwartet, kündigten die Organisatoren am Donnerstag an.

Zudem ruft ein linkes Bündnis zu einer Demonstration durch Dresdens Innenstadt mit Zwischenstopp auf dem Theaterplatz auf. Insgesamt sind mehr als zehn Protestveranstaltungen gegen Pegida mit rund 10.000 Teilnehmern angemeldet. Die evangelischen Kirchen planen Mahnwachen und Friedensgebete. Dazu werden unter anderem vor der Frauenkirche bis zu 1.000 Personen erwartet. Außerdem lädt die jüdische Gemeinde zu einem Gottesdienst in die Synagoge ein. Predigen wird der bisherige Frauenkirchenpfarrer Holger Treutmann, der seit Februar Beauftragter der evangelischen Kirchen beim MDR ist.

Proteste gegen Pegida soll es außer in Dresden auch in anderen Städten geben, zum Beispiel in Amsterdam, Kopenhagen, Graz und Warschau. An der griechischen Grenze zu Mazedonien sind in Idomeni Aktionen zur Unterstützung von Flüchtlingen angekündigt.

"Auch auf der Straße Gesicht zeigen"

Als Redner bei "Herz statt Hetze" hat unter anderem der stellvertretende sächsische Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende Martin Dulig zugesagt. Er sagte zur Begründung: "Das Engagement in der Flüchtlingshilfe ist ungebrochen hoch. Viele packen mit an. Genauso wichtig ist es weiterhin auch auf der Straße Gesicht zu zeigen: für ein solidarisches Miteinander und gegen Hetze und Hass."

"Hetze statt Ausgrenzung" - gegen Pegida hat sich ein Protestbündnis formiert
"Hetze statt Ausgrenzung" - gegen Pegida hat sich ein Protestbündnis formiert

© Herz statt Hetze

Zu den Protesten gegen Pegida ruft auch die Linkspartei in Sachsen auf, unter anderem ihr Landesvorsitzender Rico Gebhardt will teilnehmen. Linke-Landesgeschäftsführerin Antje Feiks sagt voraus, dass die Aufmärsche von Pegida mit Ausnahme von Dresden "ziemlich übersichtliche Versammlungen" sein würden.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Dietrich Herrmann, Mitglied im Netzwerkrat von "Dresden für alle", sagte dem Tagesspiegel: "Rechtsextremistische und rechtspopulistische Bewegungen in Europa sind auf jeden Fall ernst zu nehmen." Sorge bereite aktuell vor allem die wachsende Unfähigkeit der politischen Öffentlichkeit, sich klar und unmissverständlich nach Rechtsaußen abzugrenzen. Das Dresdner Anführer-Duo Lutz Bachmann/Tatjana Festerling wolle bei der angestrebten Vernetzung dieser rechten Strömungen europaweit eine Führungsrolle einnehmen. "Das steht zwar in der Logik ihrer Geltungssucht. Doch eine solche Geltungssucht und zudem eine stärkere Verwurzelung haben andere Figuren in diesem Lager wie etwa Geert Wilders oder Heinz-Christian Strache. Deswegen sehe ich Bachmann/Festerling nicht in einer europaweiten Führungsrolle."

Polizei in Dresden ruft zu Gewaltfreiheit auf

In Dresden rufen Polizei und Akteure rufen gleichermaßen zu Gewaltfreiheit auf. "Der Frieden in der Stadt ist darauf angewiesen, dass sich die Allermeisten bewusst sind, wie fragil die Sicherheitslage am Samstag im Herzen der Landeshauptstadt sein wird", erklärte Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll. Solche sich "gegensätzlich und scheinbar unversöhnlich gegenüberstehenden Menschenmassen" seien nicht zu kanalisieren und "auch durch Polizeiketten und Gitter nicht zu beherrschen". Daher werde es zwischen den Gruppen Begegnungen und Berührungspunkte geben - in Verkehrsmitteln, auf Parkplätzen oder auf dem Weg durch die Stadt.

Die Polizei rechnet am Samstag mit etwa 15.000 Teilnehmern bei Pegida und rund 10.000 Gegendemonstranten, darunter rund 400 Autonome der linken Szene. Links- und Rechtsextremisten würden "in ihren Gewaltphantasien die tausenden friedlichen Versammlungsteilnehmer als Deckmasse ins Kalkül ziehen", mahnte Kroll. "Jeder Versuch, den anderen an der Wahrnehmung seiner Grundrechte hindern zu wollen, setzt möglicherweise eine Spirale der Gewalt in Gang", fügte er hinzu. Die Polizei ist mit mehr als 1000 Beamten im Einsatz.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) erklärte, zwar gebe es ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, jedoch werde Dresden für fremden- und islamfeindliche Versammlungen missbraucht. "Diese Stadt soll die Kulisse für eine Botschaft voller Angst und Ablehnung gegenüber allem Fremden liefern, voller Misstrauen gegenüber Allen, die sich den aktuellen Herausforderungen stellen", sagte er. Dennoch sei er "der festen Überzeugung, dass jene in der Überzahl sind, die sich mit Realismus, Verstand und Herz für unsere Stadt engagieren". (mit epd, dpa)

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