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Update

Europaweite Proteste gegen Sparpolitik: Ausschreitungen bei Generalstreiks in Spanien und Italien

Proteste haben die Wirtschaft und das öffentliche Leben in den Euro-Krisenländern am Mittwoch teilweise zum Stillstand gebracht. Die Fluggesellschaften hatten vorsorglich hunderte Flüge gestrichen oder verlegt. In Spanien gab es erste Festnahmen.

Bei landesweiten Protesten gegen die Sparpolitik der Regierungen ist es am Mittwoch in Spanien und Italien zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. In Turin schlugen Autonome am Rande einer Protestkundgebung auf einen Polizisten ein und brachen ihm den Arm, wie italienische Medien berichteten. Fünf weitere Beamte wurden bei Zusammenstößen in Mailand demnach verletzt.

In Madrid ging die Polizei mit Schlagstöcken gegen hunderte Demonstranten vor, die gewaltsam eine Polizeiabsperrung zum Plaza de Cibeles im Stadtzentrum durchbrechen wollten, wie eine AFP-Reporterin berichtete. Gleichzeitig gaben die Beamten mit Gummigeschossen Warnschüsse in die Luft ab.

Ein Solidaritätstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes aus Protest gegen die Sparpolitik sorgt in mehreren EU-Ländern für massive Arbeitsniederlegungen sowie Verkehrsprobleme. In den Euro-Krisenländern Spanien und Portugal begannen Mittwoch landesweite, 24-stündige Generalstreiks, während die Beschäftigten in Italien und Griechenland zu mehrstündigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen waren. In Belgien beteiligen sich die Eisenbahner an der Streikaktion, zudem haben die Fluggesellschaften viele Spanien- und Portugal-Flüge abgesagt.

Mit Beginn eines Generalstreiks in Spanien sind nach Angaben des Innenministeriums 32 Menschen nach kleineren Auseinandersetzungen festgenommen worden. 15 Personen mussten wegen Verletzungen behandelt werden. Nach Angaben der Gewerkschaften lag die Beteiligung an dem zweiten Generalstreik in diesem Jahr in der Automobilindustrie, im Schiffsbau, in der Bau- und der Energiewirtschaft bei fast hundert Prozent. Eine Sprecherin des Innenministeriums, Cristina Diaz, wollte das am Mittwoch nicht bestätigen. Von dem Ausstand sei im Transportwesen und in den Großmärkten fast nichts zu spüren. Der Energieverbrauch sei um elf Prozent gesunken.

Die Demonstranten wollen auch ihrem Ärger über Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Luft machen. Die hat nach eigenen Angaben kein Problem damit, wenn gegen ihre Person und ihre Politik demonstriert wird. Zu den großen Errungenschaften Europas gehöre das Demonstrationsrecht, sagte die Kanzlerin am Dienstagabend auf einer CDU-Regionalkonferenz in Ludwigshafen. Mit Blick auf Portugal, wo es am Montag während ihres Besuchs zu Protesten gekommen war, fügte sie hinzu, europaweit gebe es einen Konsens über demokratische Freiheiten.

DGB-Chef Michael Sommer hat anlässlich der Generalstreiks in Spanien und Portugal die Sparpolitik erneut als falsches Mittel gegen die Krise angeprangert und eine Politik des sozialen Ausgleichs in Europa gefordert. Die Euro-Krisenländer würden „kaputtgespart“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. „Wir wollen die richtigen Maßnahmen gegen die Krise“, sagte Sommer weiter.

Der „erste internationale Streik gegen die Euro-Politik wird nicht der letzte sein“

„Das heißt, dass man gegen die Krise investiert und nicht in die Krise weiter hineinspart.“ Auch die Reformen, die viele angeschlagene Länder angestoßen haben, sieht er kritisch: „Diese Krise bekämpfen wir nicht mit dem Abbau von Arbeitnehmerrechten und mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der Verschlechterung bei den Mindestlöhnen.“

„Ich habe 34 Jahre in einem Land gelebt, da durfte man nicht demonstrieren“, sagte Merkel, die in der damaligen DDR aufgewachsen ist. Es sei einer der großen Vorzüge Europas, dass 500 Millionen Europäer nicht über Demokratie diskutieren müssten, sondern diese leben könnten.

Linkspartei-Chef Bern Riexinger begrüßte die Streiks als „Signal der europäischen Einigung von unten“. Dieser „erste internationale Streik gegen die Euro-Politik wird nicht der letzte sein“, erklärte Riexinger. Er sei „froh und stolz, dass sich auch in Deutschland die Gewerkschaften den Protesten anschließen und solidarisch mit den europaweiten sozialen Kämpfen sind“. Auf den südeuropäischen Generalstreik „muss und wird eines Tages ein europäischer Generalstreik folgen“.

Bahnreisende sollten Mittwoch Belgien meiden. Beschäftigte des Bahnbetreibers SNCB begannen am Dienstagabend einen 24-stündigen Streik, sie beteiligen sich damit am europaweiten Aktionstag gegen die Sparpolitik der Regierungen. Aus Frankreich kommende Reisende mussten in der Nacht in Lille in Busse steigen, um nach Brüssel zu gelangen. Der Ausstand sollte vor allem die Wallonie im Süden des Landes treffen - Auswirkungen werde es aber auch in Brüssel und in Flandern geben.

Der Hochgeschwindigskeitszug Thalys wird Mittwoch nicht zwischen Deutschland und Belgien verkehren, teilte der Betreiber mit. Auf den anderen Routen nach Frankreich und den Niederlanden seien Verspätungen möglich. Der Eurostar-Zug durch den Kanaltunnel nach London soll hingegen wie üblich verkehren. Der Eurostar-Zug durch den Kanaltunnel nach London soll hingegen wie üblich verkehren.

Wegen der Streiks in Spanien und Portugal sagten die Fluggesellschaften eine Reihe Flügen ab. Die großen spanischen Linien strichen etwa die Hälfte der geplanten Verbindungen. Von und nach Frankfurt am Main wurden bis zum Mittwochmorgen insgesamt acht Flüge abgesagt, wie eine Flughafen-Sprecherin sagte. Diese Zahl könne sich im Laufe des Tages allerdings ändern. In Stuttgart waren am Morgen drei Flüge annulliert worden, in Berlin-Tegel vier. Betroffen waren in allen Fällen Verbindungen nach Portugal oder Spanien. In Spanien wurde für die Bahnen, U-Bahnen und Busse ein Mindestbetrieb vereinbart, der in jedem Fall aufrechterhalten werden soll. Danach sollten etwa 10 bis 50 Prozent der Verbindungen aufrechterhalten werden. Wie das Madrider Innenministerium mitteilte, wurden die Vereinbarungen weitgehend eingehalten.

Auch in anderen EU-Ländern wurden Protestaktionen gegen die Sparpolitik erwartet. In Italien und Griechenland wurden die Beschäftigten aufgerufen, die Arbeit für drei bis vier Stunden niederzulegen. Der Generalstreik verlaufe insgesamt ruhig, hieß es. Allerdings kam es in mehreren Städten zu Zusammenstößen von Streikposten und der Polizei. Dabei gab es nach einer ersten Bilanz 42 Festnahmen und 13 Verletzte. (dpa/dapd)

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