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Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge bei ihrer Ankunft in Deutschland.

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Evangelische Kirche zu Flüchtlingen aus Syrien: "Die Bundesrepublik muss die Portemonnaies aufmachen"

Die evangelische Kirche fordert, dass Deutschland mehr Verantwortung gegenüber syrischen Flüchtlingen übernimmt. Der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider bringt dafür einen Solidarfonds ins Spiel.

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Herr Schneider, Sie waren gerade in Jordanien, um sich über die Situation syrischer Flüchtlinge zu informieren. Welche Eindrücke haben Sie gewonnen?

Dort herrscht wirklich nackte Not. Es trifft die Armen, der Mittelstand stürzt ab, nur die Reichen können sich durchkaufen. Menschen leben in Lagern, beengt und nur mit dem Allernötigsten versorgt. Gerade so, dass sie nicht sterben. Es geht wirklich an die Existenz. Der Winter kommt, und man hat Sorge, dass die Flüchtlinge ihn überstehen.

Was ist zu tun?

Damit die Menschen durch den Winter kommen, brauchen sie Decken, Matratzen, Mäntel. Aber sie benötigen auch Heizmaterial und kleine Öfen. Es muss wirklich Basishilfe geleistet werden. Die Mehrheit der Flüchtlinge lebt nicht in Zeltlagern, sondern mietet sich irgendwo ein oder kommt bei anderen Menschen unter. In diesen Notunterkünften kann man die Armut riechen. Es ist kühl, nasskalt. Das frisst das Leben auf.

Der Ratsvorsitzende der EKD. Nikolaus Schneider.
Der Ratsvorsitzende der EKD. Nikolaus Schneider.

© dpa

Unter diesen Bedingungen ist beeindruckend, dass es offenbar keine Unruhen gibt, obwohl die Sozialstruktur in den Flüchtlinge aufnehmenden Ländern der Region bis aufs Äußerste angespannt ist. Die Region zählt ja zu den wasserärmsten der Welt, und die einheimischen Bevölkerungen müssen das Wasser jetzt mit ganz vielen Menschen teilen. Es sind inzwischen  über zwei Millionen Menschen aus Syrien geflohen.

Wie kann Deutschland helfen?

Deutschland war eines der ersten Länder, das sich überhaupt zur Aufnahme von Flüchtlingen bereiterklärt hat. Aber 5000 sind einfach zu wenig, da kriegt man rote Ohren angesichts der Dimensionen des Flüchtlingsdramas in der Region. Das ist für einen wohlhabenden Staat wie Deutschland beschämend und unverhältnismäßig, etwa im Vergleich zum armen Jordanien. Die Bundesrepublik muss erstens die Augen, zweitens die Herzen und drittens die Portemonnaies aufmachen.

Was stellen Sie sich denn unter finanzieller Hilfe konkret vor?

Steigen muss sowohl die Spendenbereitschaft als auch der großzügige finanzielle Einsatz der Bundesregierung. Ich halte einen Solidarfonds für angebracht. Der beruht auf dem Grundgedanken, dass es jede Menge syrischer Familien in ganz Europa gibt, auch in Deutschland. Die sind im Normalfall bereit, ihre Verwandten aufzunehmen. Das ist eine soziale Infrastruktur, die man nutzen muss. Ein großes Problem sind dabei aber etwa die Gesundheitskosten. Wenn einige der Flüchtlinge ins Krankenhaus müssen, kann eine Familie die Rechnung nicht bezahlen. Wir brauchen also einen Solidargedanken - ähnlich wie bei unserer Kranken- und Rentenkasse. Die Unterstützung von Flüchtlingen ist staatliches und kirchliches Anliegen.

Und was ist mit den anderen bürokratischen Hürden für syrische Flüchtlinge? Muss sich da nicht etwas verändern?

Hier ist in der Tat noch Verbesserungsbedarf - und zwar hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern, dem Bund, dem Auswärtigen Amt und den zuständigen Botschaften. Die Aufnahmen von Verwandten könnten deutlich unkomplizierter, unbürokratischer werden. Insbesondere beim Ausstellen der Visa müssen neue Strukturen geschaffen werden, die eine schnellere Hilfe ermöglichen. Aber völlig klar ist auch: Wir werden damit das eigentliche Problem des Bürgerkriegs in Syrien nicht lösen können. Es ist eine politische Aufgabe, den Waffenexport zu stoppen und die Kämpfer nicht weiter finanziell zu unterstützen.

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