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Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy beantwortet in der Bundespressekonferenz Fragen der Journalisten.

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Update

Ex-SPD-Abgeordneter vor dem Untersuchungsausschuss: Sebastian Edathy präzisiert Aussage über Ziercke und Hartmann

Sebastian Edathy stellt sich dem Untersuchungsausschuss - es geht um die Kinderpornografie-Vorwürfe. Er bittet um Entschuldigung - ist sich aber keiner strafrechtlichen Schuld bewusst. Michael Hartmann wehrt sich am späten Donnerstagabend vor dem Ausschuss gegen Edathys Vorwürfe.

Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy wirft SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann vor, im Februar die Öffentlichkeit falsch informiert zu haben. "Wir (der SPD-Politiker Michael Hartmann und Edathy) waren uns einig, dass der Text nicht der Wahrheit entspreche", schreibt Edathy in einer am Donnerstag von der Bundespressekonferenz veröffentlichten eidesstattlichen Versicherung. Konkrete Details nennt Edathy aber nicht.

Erst durch die Mitteilung Oppermanns vom 13. Februar 2014 hatte die Öffentlichkeit erfahren, dass Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel über mögliche Kinderpornografie-Ermittlungen gegen Edathy informiert hatte. Seine Quelle in der SPD, Michael Hartmann, habe damals vorab einen Entwurf von Oppermanns Erklärung besessen, erklärt Edathy. Hartmann habe damals noch intervenieren wollen. "Am Folgetag musste ich aber zur Kenntnis nehmen, dass dies - falls geschehen - offenkundig nicht erfolgreich war." Oppermann hatte seine Darstellung später selbst in einem Punkt korrigiert. Zunächst hatte er erklärt, er habe sich die von Friedrich an die SPD gegebenen Informationen vom damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke in einem Telefonat bestätigen lassen. Als Ziercke dies dementierte, erklärte Oppermann, er habe das seinerzeit in dem Telefongespräch falsch aufgefasst. Ob Edathy sich mit seinem Vorwurf nun darauf bezieht oder auch andere Punkte in Oppermanns Darstellung anzweifelt, ist bislang offen.

Oppermann bleibt bis heute dabei, dass er Hartmann Ende November 2013 in einem Gespräch lediglich gebeten habe, sich um den gesundheitlich angeschlagenen Edathy zu kümmern. Die drohenden Ermittlungen hätten keine Rolle gespielt.

Edathy trat am Donnerstag erstmals vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags auf, der die politischen Vorgänge um die Kinderpornografie-Affäre klären soll. Dort wiederholte er seine Ausführungen und präzisierte auch die Darstellungen über Ziercke und Hartmann. Demnach habe Hartmann ihn in der Raucherlounge am Rande des SPD-Parteitags informiert und gefragt: "Bist du bereit für eine schlechte Nachricht." Dass Ziercke die Quelle für Hartmann gewesen sei, habe Hartmann im Dezember Edathy gesagt. Ziercke wiederum sei erbost über Thomas Oppermann gewesen, weil der ihn dazu verleiten wollte, Informationen freizugeben. Hartmann habe Ziercke gegenüber Edathy dann mit den Worten zitiert: "Der Oppermann bekommt von mir nix." Die Sitzung dauert zur Stunde noch an, weil sie mehrfach unterbrochen werden musste wegen namentlicher Abstimmungen im Plenum. Edathy hatte zu Beginn dem Ausschuss eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und eine zwölfseitige Liste mit SMS-Kommunikation abgegeben. Warum Hartmann ihn überhaupt informiert habe, wollen die Abgeordneten wissen: "Weil er ein guter Kerl ist, ein feiner Mensch." Dass er nun in Schwierigkeiten sei, habe sich nicht vermeiden lassen, wenn er vor dem Ausschuss wahrheitsgemäß Antworten wolle. Geleitet wird der Ausschuss von Eva Högl, mit der Edathy vor Monaten noch zusammen im NSU-Ausschuss gesessen hatte. Sie grüßen sich kurz, siezen sich und duellieren sich dann hart. Beide geraten immer wieder aneinander. Edathy selbst saß lange Zeit auf dem Chefsessel eines Untersuchungsausschusses. Jetzt sitzt er auf der anderen Seite, er muss sich selbst verteidigen. Doch es fällt ihm zunächst schwer die neue Rolle anzunehmen. Erstmal macht er Vorschläge zum Verfahren, was aber keine Zustimmung findet. Immer wieder fragt er nach dem Untersuchungsauftrag, gibt sich selbstbewusst, führt lange aus und schweift ab.

Michael Hartmann wehrt sich am späten Donnerstagabend vor dem Untersuchungsausschuss gegen die Vorwürfe. "Ich hatte keine Informationen über laufende Ermittlungen von BKA-Präsident Jörg Ziercke oder der SPD-Spitze", sagte Hartmann. Der Vorwurf der Strafvereitelung sei unbegründet.

Für Oppermann sind die Aussagen Edathys zwar unangenehm, allerdings sagt Edathy auch, dass er von der SPD-Spitze keinerlei Informationen zu den Ermittlungen bekommen habe. Seine einzige Quelle sei Hartmann gewesen.

Edathy hat eine Linie

Zuvor stellte sich Edaty vor der Bundespressekonferenz in Berlin der Öffentlichkeit. Kurz nach 10.30 Uhr taucht er auf. Hinter einer Wand aus Fotografen. Jener Mann, der unter Verdacht steht, kinderpornografisches Material besessen zu haben und der für die SPD-Spitze ein Problem und für das Bundeskriminalamt eine echte Gefahr werden kann. Es ist der erste Auftritt von Edathy nach Bekanntwerden der Vorwürfe Anfang des Jahres. Man könnte sagen, er wirkt aufgeräumt. Man könnte auch sagen, es grenzt an Arroganz. Aber er hat eine Linie: Juristisch waren die Filme legal, moralisch sei es ein Fehler gewesen, diese Filme zu bestellen. Auch gibt er zu: "Ich habe viele Menschen enttäuscht und das tut mir aufrichtig leid." Auch sei nicht jede Äußerung glücklich gewesen.

Immer wieder zieht er sich auf diese Sowohl-als-auch-Position zurück. Auch als es um die bei der kanadischen Firma bestellten Filme geht. Dann zieht er die Augenbrauen hoch, zwinkert hektisch. Oder er lehnt sich zurück, faltet die Hände vor dem Gesicht, dreht sich auf dem Stuhl, aber Details zu den Filmen gibt es nicht. Immer wieder nur: Es war legal, aber moralisch ein Fehler.

Edathy belastet in seinen Äußerungen vor allem den ehemaligen BKA-Präsidenten Ziercke und den SPD-Abgeordneten Hartmann schwer. Zwar habe er erstmals von den Ermittlungen in Kanada aus der Presse erfahren. Dass er auf einer Liste stehe, die beim BKA vorliege, habe er aber von Hartmann erfahren. Dieser wiederum habe es von Ziercke. In der Folge habe sich ein intensiver Austausch zwischen Hartmann und Edathy entwickelt. Dabei habe Hartmann immer wieder darauf verwiesen, dass Ziercke von sich aus auf ihn zugekommen sei, um Hartmann über den aktuellen Stand der Ermittlungen zu informieren. Beide, Hartmann und Edathy, seien verwundert gewesen, ob der Offenherzigkeit Zierckes. Dieser habe wohl Schaden von der SPD abwenden wollen.

Selbstzweifel? Schlechtes Gewissen? Vielleicht Mitleid?

Mit der SPD-Spitze habe Edathy aber nicht über die Ermittlungen gesprochen. Gleichwohl behauptet Edathy, dass Oppermann und andere Teile der Parteispitze gewusst hätten, dass Hartmann und er Austausch über den Stand der Ermittlungen pflegten. Oppermann habe versucht, Hartmann zu instrumentalisieren, um Edathy zu einem Mandatsverzicht zu bewegen.

Im Herbst 2013 habe er noch gehofft, Karriere machen zu können in der großen Koalition. Als er aber erfahren habe, dass das BKA involviert sei genau wie das Innenministerium und die SPD-Spitze, sei ihm klar geworden, dass daraus nichts mehr werde. Zu dem Zeitpunkt habe er noch gehofft, die Legislatur zu Ende zu führen. Doch als im Januar klar geworden sei, dass die Staatsanwaltschaft Hannover "ernst" machen werde, habe er sich zu dem Mandatsverzicht entschieden. "Ich hatte gehofft, so Schaden abzuwenden und die öffentliche Begleitmusik leiser zu halten. Eine Fehleinschätzung", sagt er. Dass es eine zeitliche Nähe zwischen seiner Mandatsniederlegung und der Bitte der Staatsanwaltschaft nach Aufhebung der Immunität gegeben habe, sei Zufall. "Ich wusste zwar, dass es irgendwann kommen würde, aber hatte keine Kenntnis über einen konkreten Zeitpunkt", sagt Edathy.

Je länger die Pressekonferenz dauert, desto selbstsicherer wird Edathy. Selbstzweifel? Schlechtes Gewissen? Vielleicht Mitleid, dass er jetzt mit Ziercke und Hartmann zwei ehemalige Wegbegleiter massiv schadet? Fehlanzeige. "Ich bin von Selbstmitleid weit entfernt."

"Das ist mein letzter Auftritt hier in Berlin"

Immer wieder bezieht er die Position desjenigen, der zwar Fehler gemacht habe und dies zuzugeben ihm auch schwer falle, dessen Verhalten aber zu Unrecht skandalisiert werde. Er habe nichts mehr zu verlieren. "Den Politiker Edathy gibt es nicht mehr, das ist mein letzter Auftritt hier in Berlin."

Edathy fühlt sich in Deutschland nicht mehr sicher. Ihm sei nach Bekanntwerden der Kinderpornografie-Vorwürfe wiederholt auch physische Gewalt angedroht worden, sagte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete am Donnerstag in Berlin. Aus diesem Grund habe er sich nach seinem Mandatsverzicht im Februar aus der Öffentlichkeit in Deutschland zurückgezogen. Aber: "Ich war nicht auf der Flucht", betonte er.

Der 45-Jährige sagte mehrfach, dass die von ihm bestellten Bilder und Filme nicht illegal gewesen seien. "Ich habe sicher Fehler gemacht, aber es war legal", betonte er. Er könne nicht verstehen, warum in einem Rechtsstaat das legale Verhalten eines Bürgers skandalisiert werden könne. Edathy soll verbotene Kinderpornos aus dem Internet geladen haben.

"Ich weiß, ich habe viele Menschen enttäuscht"

Edathy entschuldigte sich am Donnerstag in der Bundespressekonferenz in allgemeiner Form. "Ich weiß, ich habe viele Menschen enttäuscht", sagte Edathy. Das tue ihm aufrichtig leid, besonders für die Menschen in seinem früheren Wahlkreis in Niedersachsen. Zweifel aus der SPD an seiner Glaubwürdigkeit wies der 45-Jährige zurück. Ihm gehe es nicht um Rache. Er wolle einen Beitrag zur Aufklärung leisten.

Zu den Details des Strafverfahrens wollte er sich nicht äußern, er behauptete aber, dass derzeit Verhandlungen liefen, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen. "Das Landgericht Verden hat den Vorschlag gemacht, das Verfahren gegen eine überschaubare Geldauflage einzustellen", sagte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete. Gegen Edathy läuft in Niedersachsen ein Strafverfahren wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material. Derzeit werde die Möglichkeit einer Einstellung von seinem Anwalt und der Staatsanwaltschaft erörtert. "Mir ist wegen der großen psychischen Belastung sehr daran gelegen", betonte Edathy. Am 23. Februar soll dem 45-Jährigen im niedersächsischen Verden wegen des Besitzes von Kinderpornos der Prozess gemacht werden. "Ich bitte um Verständnis, dass ich mich nicht zu Details eines laufenden Verfahren äußern werde", sagte Edathy.

Das Landgericht Verden widersprach der Darstellung Edathys, der zuständige Richter habe die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage angeboten. Der Antrag stamme von Edathys Verteidigern, sagte Gerichtssprecherin Katharina Krützfeldt am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Das Gericht habe den Antrag an die Staatsanwaltschaft Hannover weitergegeben. Wenn die Antwort vorliege, werde die Kammer darüber entscheiden, sagte Krützfeldt. Das könne mehrere Tage dauern. (mit dpa)

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