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Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg arbeitet ehrenamtlich als "senior fellow" für das „Center for Strategic International Studies“ (CSIS) in Washington D.C.

© dapd

Ex-Verteidigungsminister: Zu Guttenberg ist jetzt "herausragender Staatsmann"

Amerika gibt dem gefallenen Minister eine zweite Chance: Bei einem Vortrag in Washington lässt Karl-Theodor zu Guttenberg immer noch den Vollblutpolitiker durchscheinen. Gerüchte über ein geplantes Comeback dementierte der frühere Verteidigungsminister aber.

Wäre das Wort nicht ein wenig belastet, könnte der Artikel so beginnen: Karl-Theodor zu Guttenberg ist immer noch ein Faszinosum. Der fensterlose, niedrige Kellersaal im renommierten „Center for Strategic International Studies“ (CSIS) in Washington D.C. ist jedenfalls voll an diesem Donnerstag Nachmittag. Etwa 120 Zuhörer wollen den Vortrag des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers über die künftigen transatlantischen Beziehungen hören.

Die meisten jedenfalls. Einige sind auch wegen der Gerüchte hier, Guttenberg plane ein Comeback. Das dementiert er gleich zu Beginn. Trotz tagelangen Stromausfalls durch „Sandy“ seien seine Familie und er sehr glücklich in ihrem Haus im Bundesstaat Connecticut. An eine Rückkehr werde nicht gedacht. Punkt.

Damit ist ein Teil der Luft raus. Doch dann beginnt, zwei Tage nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl, eine durchaus launige und themenumspannende Tour D’Horizon. Jeder bekommt was ab. Die Amerikaner wegen ihrer miesen Infrastruktur, ihres Negativwahlkampfes, der Verdrängung des Klimawandels. Die Europäer wegen ihrer Ignoranz gegenüber der demographischen Zeitbombe, ihrer Amerika-Unkenntnis, ihrem Phlegma in Bezug auf eigene Verteidigungsanstrengungen. Die Nato, die nicht offen darüber spricht, dass der Krieg in Afghanistan nicht mehr gewonnen werden kann und törichterweise konkrete Daten für einen Rückzug genannt hat. Und alle zusammen, weil die Demokratie in der Krise steckt.

Guttenberg pendelt zwischen drei Rollen. Mal schlüpft er in die des Elder Statesman, dem keine Perspektive global genug ist. Mal versucht er sich in der des freigeistigen Intellektuellen, der keine Rücksichten mehr nehmen muss auf Amt und Vaterland. Doch am dominantesten ist er nach wie vor in der des Vollblutpolitikers, der sich nichts verbauen will. Immer wieder mahnt er an, dass endlich „die Wahrheit“ gesprochen werden müsse. Doch wirklich raus mit der Sprache kommt er selbst nicht. Die Themen seien komplex, ineinander verwoben, überlappend. Das soll klug wirken, ist aber nur Nummer sicher.

Amerika gibt jedem eine zweite Chance. Auch das gehört zu den Traditionen eines Einwanderungslandes. Beim CSIS arbeitet Guttenberg ehrenamtlich als „senior fellow“, was leicht überhöht gerne mit „herausragender Staatsmann“ übersetzt wird. Mindestens einmal im Monat fährt er in die amerikanische Hauptstadt und entwickelt am CSIS ein transatlantisches Projekt, das unter Einbeziehung der neuen Medien vor allem den Dialog stärken soll.

Die Ereignisse in Deutschland verfolgt er nach wie vor intensiv. Ein Zuhörer befragt ihn zu Rolle Deutschlands in Europa und zur Bundestagswahl im nächsten Jahr. „Angela Merkel und Peer Steinbrück liegen in Bezug auf Europa eng beieinander“, sagt er. Die SPD habe fast alle wichtigen Entscheidungen mitgetragen. Das werde die Auseinandersetzung mäßigen. Auch die Aussicht auf eine große Koalition dämpfe den Ton.

Am Ende gibt es noch etwas Gedrängel um mögliche Fernsehinterviews. Doch Guttenberg winkt lächelnd ab. Dann fährt er im Fahrstuhl alleine in den vierten Stock. Erst rettet er kurz die Welt, dann checkt er 148 Mails. Eigentlich wie immer.

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