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Politik: Experten: Altersarmut wird zunehmen

Kommission uneins über Rente mit 67 / Müntefering will Pläne nicht ändern

Berlin - Die Bundesregierung muss für die Rentenpolitik der vergangenen Jahre Kritik von Experten einstecken. Durch die Kürzungen beim Leistungsniveau bestehe die Gefahr, dass die gesetzliche Rentenversicherung an Legitimation verliere, heißt es im fünften Altenbericht der Sachverständigenkommission beim Familienministerium. Für einen Großteil der Versicherten sei selbst nach einem langen Arbeitsleben kaum eine Rente zu erwarten, die deutlich über dem Sozialhilfeniveau liegen werde.

Die Pläne der Bundesregierung, die Rente mit 67 einzuführen, stießen bei dem elfköpfigen Gremium auf geteilte Reaktionen. Ein Teil der Kommission lehnt ein höheres Renteneintrittsalter komplett ab, weil dies die „sozialen Ungleichheiten“ verschärfen würde. Bis 2015 sei die Arbeitsmarktlage so angespannt, dass die Rente mit 67 zu einer steigenden Arbeitslosigkeit bei den Älteren führen werde, vor allem für Menschen mit geringen Qualifikationen. Der andere Teil der Wissenschaftler erwartet hingegen positive Effekte: Das höhere Rentenalter könne dazu führen, dass künftig auch mehr ältere Menschen Arbeit finden. Angesichts der steigenden Lebenserwartung der Deutschen sei die Anhebung der Altersgrenze vertretbar. Voraussetzung sei allerdings, dass sich in den nächsten Jahren die Lage am Arbeitsmarkt bessere und ältere Arbeitnehmer stärker als bisher in den Genuss von Weiterbildung kämen. Die Experten fordern außerdem, dass das Rentenniveau künftig nicht so stark sinken dürfe, wie durch die Rentenpolitik der vergangenen Jahre beschlossen. Ein Kommissionsmitglied schlägt abweichend vor, auf starre Altersgrenzen ganz zu verzichten.

Die Bundesregierung verteidigte die geplante Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre. Die Regierung wolle die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer deutlich verbessern, kündigte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) an. Ein Sprecher von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sagte, die Bundesregierung sehe keinen Änderungs- und keinen Klärungsbedarf. Mit der Gesetzgebung solle Ende des Jahres begonnen werden. Die Rente mit 67 soll schrittweise ab 2012 bis zum Jahr 2029 eingeführt werden. Die Bundesregierung unterstützte die Forderung der Kommission, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber künftig darauf achten sollten, dass Ältere durch Tarifverträge nicht benachteiligt werden.

Die Altersarmut, die derzeit nach Ansicht der Wissenschaftler nicht besonders stark ausgeprägt ist, wird in Zukunft wieder zunehmen. Es sei damit zu rechnen, dass mehr Menschen die Grundsicherung in Anspruch nehmen müssten, heißt es in dem Bericht. Außerdem werde die Einkommensverteilung im Alter in Zukunft ungleicher. Für die Bürger werde es daher faktisch zur Pflicht, sich eine ergänzende Alterssicherung aufzubauen, etwa durch private Vorsorge oder eine Betriebsrente.

Der Altenbericht mit dem Titel „Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft“ liegt dem Familienministerium seit Ende August vergangenen Jahres vor. Das Kabinett befasste sich erst jetzt mit dem 526 Seiten starken Werk.

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