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Politik: Experten: Rente und Gesundheit 2004 teurer

Beiträge sollen auf 19,8 und 15 Prozent steigen / Ökonom Raffelhüschen fordert Regierung auf, sofort zu handeln

Berlin. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich im kommenden Jahr auf höhere Sozialversicherungsbeiträge einstellen: Sowohl in der Renten- als auch in der gesetzlichen Krankenversicherung droht nach jüngsten Prognosen ein Beitragsanstieg. Angesichts der Löcher in den Sozialkassen forderte der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen, der Mitglied der Rürup-Kommission ist, die Bundesregierung zu Sofortmaßnahmen auf.

Nach Berechnungen des Schätzerkreises der Rentenversicherung müsste der Rentenbeitrag zum Jahreswechsel von derzeit 19,5 auf 19,8 Prozent steigen. „Es kann besser, aber auch schlechter ausfallen“, sagte ein Sprecher des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR). Schon im März hatten die Rentenversicherer ein pessimistisches Szenario vorgelegt, nach dem die Beiträge auf 19,9 Prozent steigen könnten.

Das Sozialministerium zeigte sich dagegen gelassen: Die Prognose sei nur eine „Momentaufnahme“. Festgesetzt würden die Beiträge erst im Herbst. „Wir gehen davon aus, dass sich die Konjunktur im Laufe des Jahres verbessert“, sagte ein Sprecher von Ministerin Ulla Schmidt (SPD). Er räumte allerdings Risiken ein. So stellt der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst den Arbeitgebern frei, die Rentenbeiträge nicht im Dezember, sondern erst im Januar zu überweisen. Dadurch könnten den Rentenkassen 2003 bis zu zwei Milliarden Euro fehlen. Entlastung erhofft sich das Sozialministerium dagegen von der Gesundheitsreform: Sinken die durchschnittlichen Kassenbeiträge, so müssen auch die Rentenversicherer weniger Geld für die Rentner überweisen.

Schon zu Beginn des Jahres hatte die Bundesregierung nach heftigem Streit zwischen SPD und Grünen die Beiträge von 19,1 auf 19,5 Prozent angehoben. Damals hatte Sozialministerin Schmidt versprochen, der Rentenbeitrag werde schon zum 1. Januar 2005 wieder auf 19,3 Prozent sinken.

Für Rentenexperten kommt die Prognose des Beitragsanstiegs nicht überraschend: „Dass wir bei mindestens 19,8 Prozent landen, ist seit einem Jahr klar“, sagte der Wirtschaftsprofessor Raffelhüschen dem Tagesspiegel. „Es muss in der Rentenversicherung auch kurzfristig etwas getan werden. Das ist klar wie Kloßbrühe“, sagte Raffelhüschen. Die Rürup-Kommission hatte sich vor zwei Wochen dafür ausgesprochen, Rentnern im kommenden Jahr eine Nullrunde zu verordnen und die Rentenerhöhungen um ein halbes Jahr zu verschieben.

Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen fürchtet, der durchschnittliche Kassenbeitrag könnte von 14,3 auf 15 Prozent steigen. Nach derzeitigen Berechnungen fehlen der gesetzlichen Krankenversicherung rund fünf bis sechs Milliarden Euro im Jahr 2003, teilten die Kassen-Spitzenverbände am Dienstag mit. Das hat mehrere Gründe: Aus dem Vorjahr schieben die Kassen einen Großteil des Schuldenbergs in Höhe von drei Milliarden Euro vor sich her. Außerdem müssen sie die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage von einem Viertel der Monatsausgabe wieder auffüllen. Den Krankenkassen-Managern ist es nämlich gesetzlich verboten, langfristig Schulden zu machen.

Ein Teil der Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro, die Ulla Schmidt sich von der Gesundheitsreform erhofft, könnte damit verpuffen. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass der durchschnittliche Beitrag schon 2005 auf deutlich unter 13 Prozent sinken könnte. Die Kassenverbände erhöhen daher den Druck auf die Bundesregierung, versicherungsfremde Leistungen über Steuern zu finanzieren, wie etwa Mutterschaftsgeld und Sterilisation.

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