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Alaya Allani (58) ist Professor für Zeitgeschichte an der Manouba-Universität in Tunis. Er gehört zu den führenden Experten für islamistische Bewegungen und Terrorgruppen.

© Eglau

Expertengespräch: „Soziale Lage in Tunesien verbessern“

Der Terror erschüttert Tunis. Seine Ursachen haben tiefe soziale Wurzeln, meint der tunesische Zeitgeschichte-Professor Alaya Allani. Ein Gespräch über Islam, Islamismus und den ehemaligen Musterschüler Tunesien.

Was bedeutet der Terrorangriff auf das Bardo-Museum für Tunesien?
Dieser Anschlag ist der erste in Tunis überhaupt und ereignete sich unmittelbar neben dem Parlament. So etwas hat es noch nie gegeben in der Geschichte unseres Landes. Das wird die Zivilgesellschaft, die Regierung und die politischen Parteien noch stärker mobilisieren, dem Terrorismus entgegenzutreten. Die Verabschiedung des Anti-Terrorgesetzes wird beschleunigt werden. Es wird sicher Konsequenzen geben, was die konkrete Polizeiarbeit vor Ort angeht. Auch wird man die ganze Lage des Dschihadismus in der Region neu bewerten müssen.
Wie gut ist Tunesiens Polizeiarbeit gegen den Terror?
Seit der Revolution des Arabischen Frühlings 2011 gab es in Tunesien 28 Terroranschläge, bei fast allen hatten die Täter die Sicherheitskräfte im Visier. Die Arbeit von Polizei und Armee hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert. Ihre Sicherheitsstrategie ist viel entwickelter als früher, trotzdem hat sie das Blutbad im Zentrum von Tunis nicht verhindert. Das tückische ist, dass die Attentäter sich mit Uniformen verkleidet hatten. Wichtig ist daher, dass Tunesiens Militär Methoden entwickelt, künftig falsche von echten Soldaten zu unterscheiden.

Wie groß ist die Gefahr des „Islamischen Staats“ für Tunesien?
Etwa 3000 junge Tunesier kämpfen in Syrien und Irak, erstaunlich viele stammen aus der Mittelklasse, haben studiert, waren arbeitslos oder hatten eine Nähe zu salafistischen Kreisen. Die weit überwiegende Mehrheit der Muslime in Tunesien kann aber mit einem „Islamischen Kalifat“ nichts anfangen. Der Islam hier ist moderat und tolerant. Um den Terror zu bekämpfen, muss man solche Einstellungen stärken. Aber wir müssen auch die soziale Lage in armen Stadtvierteln und Regionen verbessern, aus deren Milieus viele Terroristen stammen. Wir brauchen also eine dreifache Strategie: Sicherheit durch den Staat, Stärkung des moderaten Islams und Besserung der sozialen Lage.
Was kann die Europäische Gemeinschaft tun, um Tunesien zu helfen?
Das Wichtigste wären Investitionen sowie Hilfen bei der Ausrüstung von Polizei und Armee. Wir brauchen bessere Waffen und effektive Grenzsicherungssysteme. Wir benötigen fachliche Unterstützung beim Training der Sicherheitskräfte. Und einen kräftigen Sprung unserer Volkswirtschaft nach vorne.
Alaya Allani (58) ist Professor für Zeitgeschichte an der Manouba-Universität in Tunis. Er gehört zu den führenden Experten für islamistische Bewegungen und Terrorgruppen. Das Gespräch führte Martin Gehlen.

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