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Extremismus: Russlands Neonazis planen Angriffe auf Minderheiten

Geplant waren Überfälle auf Wochenmärkte und Brandstiftung in Dienststellen von Polizei und Geheimdienst. Sogar Büros der Kremlpartei Einiges Russland standen auf der Liste. Eine neonazistische Vereinigung hatte zum "Tag der Rache" aufgerufen.

Die Organisatoren hatten für den „Tag der Rache“ an alles gedacht: an strapazierfähige Kleidung wie an scheinbar unverfängliche Gegenstände, die bei Straßenschlachten als Waffen dienen können. Dazu gab es detaillierte Verhaltensmaßregeln für den Fall einer Festnahme. Denn „Tausende Nichtrussen“, sollten bei der Abrechnung am 5. Mai „auf der Strecke bleiben“. So jedenfalls stand es in dem Pamphlet der Russischen Freiheit, einer nicht zugelassenen neonazistischen Vereinigung, das mehrere Tage im Internet offen zugänglich war.

Mit den Pogromen wollte das Jungvolk seiner gefallenen „Märtyrer“ gedenken. Allen voran Adolf, mit bürgerlichem Namen Maxim Basyljew. Der Führer der Russischen Freiheit kam Ende März unter bisher nicht geklärten Umständen ums Leben. Vierzig Tage danach ist nach orthodoxem Brauch die letzte von insgesamt drei Totenfeiern fällig. Im Fall von „Adolf“ wäre dies der 5. Mai, der „Tag der Rache“. Geplant waren Überfälle auf Wochenmärkte und Brandstiftung in Dienststellen von Polizei und Geheimdienst. Sogar Büros der Kremlpartei Einiges Russland standen auf der Liste.

Als die Behörden, bei Extremismusbekämpfung sonst nicht gerade zimperlich, die Website endlich abschalteten, hatten sich dort bereits mehrere hundert Besucher verewigt. Fast durchweg mit Zustimmung. Russische Freiheit ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Nationalisten und Neonazis, die schon vor der Krise latente Fremdenfurcht bedienten, haben jetzt, wo Kreml und Regierung mit bis zu sieben Millionen Arbeitslosen gegen Ende des Jahres rechnen, Hochkonjunktur. Denn sie bieten, was die pseudo-oppositionellen Kommunisten und die angepassten Gewerkschaften nicht leisten wollen und die von Putin strangulierte liberale Opposition nicht leisten kann: Ein Ventil zum Dampfablassen.

Als Feindbild müssen dabei der Westen, den auch Staat und staatstreue Medien für die Krise verantwortlich machen, und Arbeitsimmigranten herhalten, die den Russen angeblich die Jobs wegnehmen. Das unterstellte man vor der Krise vor allem Menschen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken im Kaukasus und Zentralasien. Jetzt entlädt sich der Fremdenhass immer häufiger auch gegen andere ethnische Minderheiten mit nichtslawischem Äußeren: Angehörige der kleinen Völker Sibiriens und des Hohen Nordens oder die mit den Türken verwandten Baschkiren und Tataren.

Lange jagten Ordnungskräfte gefährlichere Feinde: Schwule, Lesben und die liberale Opposition. Neonazis dagegen durften an Staatsfeiertagen – die Hand zum deutschen Gruß erhoben und fremdenfeindliche Parolen grölend – mitten im Zentrum von Moskau aufmarschieren. Deren Organisationen sind inzwischen zwar verboten, sollen jedoch landesweit bis zu 80 000 Mitglieder zählen. Die meisten haben sich nun bei legalen nationalistischen Gruppen eingeklinkt.

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