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Politik: Extremisten entführen zwei Bulgaren „Unangemessen und ungedeckt“

US-Senat: CIA-Angaben zu Saddams Waffenprogrammen waren falsch / Britische Kommission rügt Blair

Sofia Anhänger des mutmaßlichen Terroristen Abu Mussab al Sarkawi haben im Irak zwei Bulgaren entführt. Das Außenministerium in Sofia bestätigte die Geiselnahme am Freitag. Der Fernsehsender Al Dschasira hatte zuvor ein Video ausgestrahlt, auf dem Extremisten der Gruppe „für Einheit und Kampf“ mit der Ermordung der beiden Lastwagenfahrer drohen, sollten die US-Streitkräfte nicht binnen 24 Stunden alle irakischen Häftlinge freilassen.

Die Gruppe hat sich bereits zur Enthauptung des amerikanischen Geschäftsmannes Nicholas Berg und des südkoreanischen Übersetzers Kim Sun Il bekannt. Er erwarte, dass die Kidnapper Kontakt mit bulgarischen Behörden aufnähmen, sagte Außenminister Solomon Pasi in Sofia. Nach Angaben einer Ministeriumssprecherin wurden die beiden Lastwagenfahrer auf dem Weg nach Mossul entführt. Sie hätten sich zuletzt am 29. Juni bei ihren Familien gemeldet. Der deutsche Botschafter in Sofia, Harald Kindermann, sagte Bulgarien alle notwendige Hilfe zu. Bei einem Überfall auf einen Konvoi der US-Streitkräfte in Bagdad wurde in der Nacht zum Freitag unterdessen ein Soldat tödlich verletzt.

Der oberste Gerichtshof der USA soll sich nach dem Willen eines Anwalts von Saddam Hussein mit der Inhaftierung des irakischen Ex-Präsidenten befassen. Das grundlegende Recht auf einen fairen Prozess werde „mit Füßen getreten“, sagte Curtis Doebbler am Donnerstag. Die US-Behörden hätten weder ihm noch einem anderen Anwalt des 20-köpfigen Verteidigerteams gestattet, mit Saddam Hussein zu sprechen. Doebbler erklärte, die Inhaftierung des im Dezember verhafteten ehemaligen Machthabers verletzte internationales Recht und sei verfassungswidrig.

Der Washingtoner Anwalt reichte ein Gesuch beim obersten Gericht ein, das den Titel „Saddam Hussein gegen George W. Bush“ trägt. Doebbler beantragt darin, eine Beschwerde im Namen seines Mandanten einreichen zu dürfen. Dafür ist eine Sondergenehmigung nötig, weil keine Unterschrift Saddam Husseins vorliegt. Der oberste Gerichtshof ist derzeit in der Sommerpause. AP

Washington/London - Der Krieg gegen den Irak ist mit falschen Annahmen und übertriebenen Analysen des US-Geheimdienstes CIA begründet worden. Zu diesem Ergebnis kommt der Geheimdienstausschuss des Senats in Washington. In seinem Abschlussbericht übt er vernichtende Kritik an den Geheimdiensten. Es habe damals ein „Gruppendenken“ vorgeherrscht, wonach der Irak unter Saddam Hussein über biologische und chemische Waffen verfügt und den Besitz von Atomwaffen angestrebt haben soll.

Solche Waffen, die als Grund für den Irakkrieg galten, wurden aber nie gefunden. Im Januar musste US-Außenminister Colin Powell eingestehen, dass der Irak möglicherweise keine Massenvernichtungswaffen besessen habe. Am Dienstag räumte auch der britische Premierminister Tony Blair ein, dass die Waffen vielleicht nie gefunden würden.

Für die US-Demokraten sagte Senator Jay Rockefeller: „Wir hätten nicht für den Krieg gestimmt, wenn wir damals gewusst hätten, was wir heute wissen.“ Der Ausschussvorsitzende Pat Roberts sagte auf einer Pressekonferenz: „Wie der Bericht zeigen wird, waren (die Annahmen) unangemessen und weitgehend ungedeckt von dem vorliegenden Geheimdienstmaterial.“ CIA-Mitarbeiter sollen zudem mit Angehörigen von irakischen Wissenschaftlern gesprochen und deren Aussagen nicht an die Regierung weitergeleitet haben, hatte die „New York Times“ berichtet. US-Präsident George W. Bush sagte am Freitag eine Reform der Geheimdienste zu. Unter anderem solle die Informationsgewinnung durch menschliche Quellen verstärkt werden. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsdiensten werde verstärkt, versprach er.

Das britische Pendant zu dem US-Bericht wird am Mittwoch veröffentlicht. Bereits bekannt ist, dass darin Kritik an der „unbegründeten“ Behauptung geübt wird, der Irak könne Chemiewaffen innerhalb von 45 Minuten zum Einsatz bringen. Dies war eines der von Premier Blair benutzten Argumente aus dem umstrittenen Irak-Waffendossier. Dagegen soll die von Lord Butler geleitete Untersuchungskommission zum Schluss kommen, der Irak habe sich tatsächlich in Niger um den Ankauf von Uran bemüht, wie britische Geheimdienste gemeldet hatten. Über Konsequenzen des britischen Berichts für Blair wird spekuliert, seit bekannt ist, dass Butler seine Untersuchung nicht auf die Qualität der britischen Geheimdienstarbeit beschränkt, sondern in Betracht zieht, was Downing Street aus den Geheimdienstinformationen gemacht hat. Für diesen Aspekt hatte sich eine nach dem Selbstmord des Waffenexperten David Kelly eingerichtete Kommission unter der Leitung von Lord Hutton für nicht zuständig erklärt. Butler könnte den Spekulationen zufolge das Bild eines Geheimdienstes zeichnen, der sich bemüht, politische Entscheidungen zu rechtfertigen oder von der Politik unter Druck gesetzt wird. AP/AFP/mth

Die umstrittene Arbeit der Geheimdienste vor dem Irakkrieg hatte in Washington und London zahlreiche Folgen:

Am 5. Februar 2003 erklärt US-Außenminister Colin Powell , der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen.

Im Juli 2003 begeht der britische Waffenexperte David Kelly Selbstmord. Die Hutton-Kommission wird eingerichtet.

Am 3. Juni 2004 reicht CIA-Chef George Tenet überraschend seinen Rücktritt ein.

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