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Politik: Fachmann für den Übergang

Ex-Präsidentenberater Belka soll Polens neuer Premier werden – bis zu Neuwahlen im Herbst

Ausgerechnet im fernen Orient soll die Entscheidung über Polens künftigen Regierungschef gefallen sein: Laut Presseberichten hat Präsident Aleksander Kwasniewski seinen langjährigen Berater Marek Belka während eines Staatsbesuchs in Saudi-Arabien bereits vergangene Woche zum erneuten Wechsel auf die Regierungsbank überredet. Mit dem 52-jährigen Wirtschaftsprofessor, der einen Tag nach Polens EU-Beitritt am 2.Mai die Regierungsgeschäfte von dem zum Abtritt gezwungenen Leszek Miller übernehmen soll, kehrt eine schillernde Persönlichkeit auf das politische Parkett zurück. Zuletzt hatte sich der parteilose Wirtschaftsexperte als Polens Vertreter in der irakischen Zivilverwaltung um den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes bemüht.

Seine internationale Karriere hatte der an der Universität Lodz habilitierte Ökonom nach mehreren Stipendien in den USA und Großbritannien als Berater der Weltbank Anfang der 90er Jahre begonnen. 1997 wechselte Belka erstmals in die Politik, wurde Finanzminister im Kabinett des heutigen Außenministers Wlodzimierz Cimoszewicz. Nach der überraschenden Wahlniederlage der Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen im Herbst 1997 wurde er Wirtschaftsberater von Kwasniewski. Bei der Kür von Polens Notenbankchef musste Belka im Dezember 2000 zwar dem damaligen Finanzminister Leszek Balcerowicz den Vortritt lassen. Doch nach dem Wahlsieg der SLD im Herbst 2001 schleuste Kwasniewski ihn als Mann seines Vertrauens erneut auf die Regierungsbank. Im Kabinett Miller wurde Belka zum zweiten Mal Finanzminister, warf aber ohne Angaben von Gründen im Sommer 2002 das Handtuch. Sein schlechtes Verhältnis zu Miller soll der Auslöser gewesen sein.

Sofern er das ihm angetragene Amt im Mai antritt, soll Belka mit einem Kabinett von Fachleuten sein von Korruptionsskandalen und Turbulenzen erschüttertes Land bis zu Neuwahlen wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern. Experimente sind von dem eher nach Washington als nach Brüssel orientierten Akademiker kaum zu erwarten. Die Außen- und Europapolitik dürfte der Wirtschaftsmann weitgehend Cimoszewicz überlassen, der laut Kwasniewski genauso wie Verteidigungsminister Jerzy Szmajdzinski auf jeden Fall im Amt bleiben soll. An dem strikten Sparplan von Finanzminister Jerzy Hausner zur Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen wird Belka festhalten, an dem Minister selbst womöglich nicht.

Schon für den Herbst wird in Polen mit vorzeitigen Neuwahlen gerechnet. So könnte Belka als der am kürzesten amtierende Premier in die Geschichte der postsozialistischen Demokratie in Polen eingehen.

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Thomas Roser[Warschau]

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