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Fall Andrej H.: BGH stellt Terror-Paragraphen auf den Prüfstand

Der Fall des unter Terrorismusverdacht stehenden Berliner Soziologen Andrej H. hat im Bundesgerichtshof eine Grundsatzdiskussion über den "Terrorismus-Paragraphen" 129a ausgelöst.

Der Bundesgerichtshof (BGH) will offenbar grundlegend entscheiden, was eine terroristische Vereinigung ausmacht und unter welchen Voraussetzungen die Bundesanwaltschaft Verdächtige wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe verfolgen darf. Wie die Anwältin des unter Terrorismusverdachts stehenden Soziologen Andrej H., Christina Clemm mitteilte, will der BGH nicht wie erwartet schon in den nächsten Tagen über die Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen die Haftverschonung für ihren Mandanten entscheiden. Das Gericht habe sie vielmehr darüber informiert, dass es sich grundsätzlich mit den Voraussetzungen für die Eingruppierung einer Vereinigung als terroristische Vereinigung befassen wolle.

Laut Clemm will der BGH daher nicht vor dem 5. Oktober über die Beschwerde der Bundesanwaltschaft entscheiden. Bis dahin bleibt der Haftbefehl gegen H. außer Vollzug. Der Berliner Soziologe wird verdächtigt, Mitglied der linksgerichteten "militante gruppe" (mg) zu sein, die die Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung einstuft. Gegen seine vorübergehende Inhaftierung hatten Wissenschaftler weltweit protestiert.

Zweiter Teil des Paragraphen 129a wird diskutiert

Auf dem Prüfstand des BGH steht nun der Paragraph 129a des Strafgesetzbuches, der die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ahndet. Der erste Teil dieser Vorschrift zielt auf schwere Fälle des Terrorismus und zählt dazu Delikte auf wie Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Geiselnahme.

Der zweite Absatz stuft eine Gruppierung auch dann als terroristisch ein, wenn sie etwa Brandanschläge und andere so genannte gemeingefährliche Straftaten begeht. Voraussetzung ist aber, dass diese Taten dazu bestimmt sind, etwa "die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern", oder politische und soziale Grundstrukturen des Staates "zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen".

Verfahren gegen Andrej H. könnte an die Berliner Staatsanwaltschaft abgegeben werden

Die Bundesanwaltschaft sieht diese Vorgaben bei der "mg" als erfüllt an, obwohl die Gruppierung bei ihren bislang rund zwei Dutzend Brandanschlägen darauf Wert legte, dass keine Menschen verletzt wurden. Die Behörde verweist demgegenüber auf die Bekennerschreiben der Gruppe, die bestehende staatlichen Strukturen durch eine kommunistische Ordnung ersetzen wolle.

Sollte der BGH gleichwohl zu der Ansicht kommen, dass die Brandanschläge der "mg" zwar politisch motiviert sind, aber noch keinen Terrorismus-Vorwurf rechtfertigen, müsste die Bundesanwaltschaft das Terrorismus-Verfahren gegen H. und drei weitere in Untersuchungshaft sitzende Mitglieder einstellen und den Fall an die Berliner Staatsanwaltschaft abgeben. Dort würde dann wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung ermittelt. (mit AFP)

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