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Manchmal ist es so simpel: Viele V-Leute verraten frühere Komplizen für Geld.

© Kraufmann/dpa

Fall Anis Amri: Kripo-Gewerkschafter verteidigt V-Mann-Einsätze

"Wir brauchen diese Einblicke", sagt ein Berliner Funktionär zu Spitzeln in abgeschotteten Milieus. Oft seien Kandidaten aber ungeeignet.

Ein als VP-01 von der Polizei in NRW geführter Spitzel soll unter dem Namen "Murat" womöglich den Asylbewerber Anis Amri zu seinem Anschlag ermutigt haben. Immer wieder hatte es politischen Streit um den Einsatz von Spitzeln der Polizei gegeben – vor allem unter Dealer- und Hehlerbanden, Islamisten sowie Rechtsradikalen.

Unabhängig vom aktuellen Fall, aber mit Blick auf die Debatte, sagte der Berliner Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Michael Böhl, dem Tagesspiegel: "Es gibt keine Garantie, V-Leuten vertrauen zu können. Aber die Polizei braucht ihre Einblicke in sonst geschlossene Szenen. Oft wenden sie sich Männer aus entsprechenden Milieus selbst an die Polizei und erhoffen sich Vorteile wie Strafrabatt oder Geld." Die Ermittler wüssten in der Regel, dass V-Leute selten verlässlich seien. "Bei besonders Geltungssüchtigen wird die Zusammenarbeit beendet", sagt BDK-Landeschef Böhl. "Ein großer Teil derjenigen, die angeworben werden sollen, wird noch während der Überprüfung fallengelassen."

Zehn mal mehr Polizisten für Observationen nötig

Rechtlich ist geregelt, dass V-Personen nicht zu Straftaten animieren dürfen. In der Praxis geschieht dies schon deshalb, weil die meisten Spitzel eben aus kriminellen Milieus stammen. Ein anderes Problem ergibt sich aus der Überforderung der Ämter. Derzeit wird in Berlin von fast 100 Gefährdern ausgegangen, also aktiven Islamisten, denen nach oft monatelanger Beobachtung ein Terrorakt zugetraut wird. Sicherheitsexperten erwarten, dass es mittelfristig eher mehr Gefährder geben wird. Die Zahl der potenziellen Terroristen steigt schon deshalb, weil die Szene fanatischer Islamisten insgesamt größer wird.

Der Chef des Berliner Verfassungsschutzes, Bernd Palenda, hatte vor einigen Wochen erklärt, dass man von 880 Salafisten allein in Berlin ausgehe, von denen 410 gewaltbereit seien. Eine Überwachung dieser Männer halten Fachpolitiker aller Parteien für angemessen - nur mangelt es vor allem in Berlin an Personal dafür. Für eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung sind 25 Beamte im Schichtbetrieb nötig. Würden die bald 100 Berliner Gefährder, denen ein Anschlag zugetraut wird, dauerhaft observiert, bräuchte die Stadt dafür mehr als 2500 Beamte – vorhanden sind nicht mal 200 Observationskräfte.

Der tunesische Flüchtling Anis Amri etwa in Berlin war nicht in den Nächten oberserviert worden - also zu jenen Stunden, in denen er als Dealer, Hehler und Schläger oft unterwegs war. Amri ermordete im Dezember 2016 zwölf Männer und Frauen und verletzte fast 60 Opfer zum Teil schwer.

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