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Unterstützer von Wikileaks fordern die Freilassung von Bradley Manning, der im Militärgefängnis von Quantico im US-Bundesstaat Virginia in Haft ist. Foto: Facundo Arrizabalaga/dpa

© picture alliance / dpa

Fall Bradley Manning: „Hilfe für den Feind“

Der US-Soldat Bradley Manning soll Wikileaks wichtige Armee-Dokumente zugespielt haben. Jetzt droht ihm, mindestens theoretisch, die Todesstrafe.

Seit zehn Monaten sitzt er in strenger Einzelhaft im Militärgefängnis von Quantico (Virginia). Der Gefreite gilt den Anklagebehörden ebenso wie der US-Regierung vielleicht sogar als der größte Verräter in der Geschichte der USA: Bradley Manning. Der Mann, der nach Überzeugung der Ermittler jene geheimen US-Dokumente an die Enthüllungsplattform Wikileaks gegeben haben soll, die im vergangenen Jahr die Welt in Atem gehalten haben. Jetzt droht ihm, mindestens theoretisch, die Todesstrafe.

Am Mittwoch (Ortszeit) verkündete die Armee 22 zusätzliche Anklagepunkte gegen Manning. Diese beinhalten einen Verstoß nach Artikel 104 der Militärregeln: „Hilfe für den Feind“, besser übersetzt mit dem deutschen Begriff „Kollaboration mit dem Feind“. „Die neuen Vorwürfe reflektieren genauer die große Bandbreite der Straftaten, die Private First Class Manning beschuldigt wird, begangen zu haben“, zitiert die „New York Times“ Armeesprecher John Haberland.

Allerdings würden die Strafverfolger nicht Mannings Exekution verlangen, sollte er auch bezüglich Artikel 104 schuldig gesprochen werden, heißt es demnach in der Erklärung zu den neuen Anklagepunkten. Auch gegenüber den Anwälten Mannings soll die Anklagebehörde bereits avisiert haben, nicht die Todesstrafe fordern zu wollen. Dennoch würde Manning im Falle eines Schuldspruchs in allen Punkten wohl nie wieder freikommen.

Wer der Feind ist, dem Manning geholfen haben soll, wird in den Anklagepunkten nicht genauer spezifiziert. Auch auf Anfrage wollten Militärsprecher das offenbar nicht näher erläutern. Es steht aber außer Frage, dass dem 23-Jährigen vorgeworfen wird, die Dokumente, die den Alltag des Krieges im Irak und in Afghanistan sowie die Geheimnisse der US-Diplomatie enthüllen, Wikileaks gegeben zu haben. Und als Feind wird Wikileaks in den USA betrachtet. US-Außenministerin Hillary Clinton hat der Gruppe um Julian Assange vorgeworfen, „Angriffe gegen die USA“ zu führen. Der Feind könnten aber auch die feindlichen Truppen und Kräfte in den Kriegsgebieten sein. Eine Reihe der von Wikileaks veröffentlichten Dokumente habe Namen von US-Informanten beinhaltet und diese damit großen Gefahren ausgesetzt. Einige der Mitarbeiter seien auf Militärbasen gebracht worden, um sie zu schützen. Allerdings sei das nicht bei allen möglich gewesen.

Mannings Anwalt David E. Coombs, der auch den US-Medien wohl nicht zu einem Statement zur Verfügung stand, erklärt auf seiner Homepage und unter seinem Twitter-Account, dass die Anklage nach Artikel 104 die gravierendste sei. Unkommentiert stellt er dazu den Wortlaut des Artikels aus dem Militär-Regelwerk. Ob alle Anklagepunkte auch vor Gericht gebracht würden, werde sich aber erst im Mai oder Juni entscheiden. Dann werde das gemäß dem regulären Prozessablauf in einer Anhörung festgelegt. Erst dann sehe man auch, ob Private Manning wirklich mit der Todesstrafe bedroht sei.

Die „New York Times“ zitiert einen Experten für Militärstrafrecht an der Universität Yale, Eugene Fidell, mit der Aussage, dass einige der Anklagepunkte den gleichen Vorwurf auf unterschiedliche Weise zu beschreiben schienen. Es sei „typisch für Militär-Ankläger“ so viele Anklagepunkte wie möglich zu erheben.

Die Anklage gibt einen weiteren Einblick in die Rekonstruktion der Strafverfolger. Demnach hat Manning die entsprechenden Dateien von einem zugangsbeschränkten Computersystem im Irak kopiert. Die Botschafts-Depeschen soll Manning zum Beispiel zwischen dem 28. März und dem 4. Mai 2010 heruntergeladen haben. Weitere Vorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum zwischen Februar und Anfang April 2010. Dem Pentagon zufolge gingen den neuen Vorwürfen siebenmonatige Ermittlungen voraus.

Wikileaks erklärte auf Twitter, der Vorwurf „Hilfe für den Feind“ sei eine „rachsüchtige Attacke auf Manning dafür, dass er sein Schweigerecht ausübt“. Mit diesem Vorwurf werde Wikileaks als Feind definiert. Bislang ist es den US-Behörden offenbar noch nicht gelungen, eine Verbindung zwischen Manning und Wikileaks zu beweisen. Wikileaks wiederum betont stets, das System sei so aufgebaut, dass der Empfänger, also Wikileaks, nicht wissen könne, wer der Absender der Unterlagen sei. Manning gilt deshalb auch als Schlüsselfigur, um juristisch gegen Wikileaks und dessen Kopf Julian Assange vorgehen zu können.

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