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Fall Kundus: Merkel vertraut Jung "unverändert"

Der Verteidigungsausschuss des Bundestages berät über neue Vorwürfe gegen den ehemaligen Verteidigungsminister und heutigen Arbeitsminister Jung im Zusammenhang mit einem Bombardement in Afghanistan. Unterdessen springt ihm die Kanzlerin bei - stellt aber Bedingungen. Jung will am Nachmittag noch einmal vor die Presse treten.

Die Hinweise auf einen möglichen Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) verdichten sich. Auf die Frage, ob es ein Rücktrittsangebot des ehemaligen Verteidigungsministers gebe, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin nur: "Warten Sie es ab." Jung will um 13:30 Uhr erneut zu den Vorwürfen wegen unterschlagener Informationen nach dem verheerenden Luftangriff in Afghanistan Stellung nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nach wie vor hinter dem politisch unter Druck geratenen Bundesminister. Das Vertrauen zu Jung bestehe "unverändert", sagte Regierungssprecher Wilhelm. Merkel erwarte aber, dass noch offene Fragen "rückhaltlos" aufgeklärt würden und Jung dabei "im Geiste der Transparenz" handeln werde.

In der Affäre um die Informationspolitik über den von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff in Afghanistan äußerten sich weitere Unionspolitiker ähnlich. "Da muss noch mehr kommen", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU), am Freitag vor Beginn der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. Die Erklärung von Jung vom Donnerstag sei noch "ergänzungsbedürftig". Es gelte aber "Sorgfalt vor Eile".

Rede und Antwort stand der jetzige Arbeitsminister Jung in der Sondersitzung aber nicht. Dies übernahm sein Amtsnachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Er sagte in der Sitzung nach Teilnehmerangaben, ihm seien insgesamt zehn wichtige Dokumente vorenthalten worden. Davon stammten acht aus der Zeit vor der Bundestagswahl am 27. September. Fünf davon hätten einen Bezug zu zivilen Opfern gehabt.

Bundeswehrverband nimmt Schneiderhan in Schutz

Bei dem am 4. September von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff nahe Kundus waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass die Bundeswehr selbst kurz nach dem Angriff Angaben zu zivilen Opfern geliefert hat, diese aber nicht öffentlich gemacht wurden. Die Bundesregierung hatte stets offen gelassen, ob es zivile Opfer gab. Jung erklärte am Donnerstag, er habe diesen Bericht der in Kundus eingesetzten Feldjäger "am 5. oder 6. Oktober" ohne konkrete Kenntnis über den Inhalt an die Nato weitergeleitet.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, sagte im Sender hr-info, in der Aufarbeitung des umstrittenen Luftangriffs seien dem am Donnerstag zurückgetretenen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan keine Vorwürfe zu machen. "Da kann der Generalinspekteur nicht Herr der politischen Situation gewesen sein, weil er Vorgaben hatte von der politischen Leitung." Die Verantwortung für mögliche Fehler in diesem Zusammenhang sieht Kirsch allein bei der Vorgängerregierung: "All das, was da an Porzellan zerbrochen ist, muss sich die alte Bundesregierung letztendlich zurechnen."

Grüne erwarten "Stunde der Wahrheit"

Der Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour bezeichnete die Sitzung des Verteidigungsausschusses als "Stunde der Wahrheit". Jung habe mit seinen bisherigen Erklärungen gezeigt, dass er zumindest "eklatante Versäumnisse" zugelassen habe. Es gebe drei Varianten: "Entweder Jung hat gelogen. Oder er hat den Bericht wirklich nicht gelesen. Oder er wollte den Bericht nicht sehen." Alle drei Fälle wären eklatante Versäumnisse und zeigten, wie überfordert Jung als Minister sei. Dass die Union selbst den von der Opposition geforderten Untersuchungsausschuss unterstütze, beweise, wie schwach seine Position in der Unionsfraktion sei.

Für den SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sind Jungs Stunden als Minister gezählt. Schon jetzt sei es für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer, Jung zu halten. Mit seinen Aussagen vom Donnerstag, die unzureichend gewesen seien, habe Jung gezeigt, dass er "mit dem Amt überfordert" ist. Und das Arbeitsministerium sei ein "Schlüsselressort, das den besten Minister bräuchte". (sf/smz/dpa/ddp)

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