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Fall Kurnaz: Folter-Berichte erschüttern Ausschuss

Er sei mehrere Tage an Ketten aufgehängt worden, berichtete der Ex-Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz über seine Haft in einem US-Gefangenenlager in Afghanistan. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages zeigte sich erschüttert.

Berlin - In seiner siebenstündigen Sitzung erhielt das nicht öffentlich tagende Gremium am Mittwoch zugleich neue Hinweise auf mögliche Verstrickungen deutscher Geheimdienste in den Fall. Ferner tauchte die Frage auf, ob sich ein Mann als Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes getarnt und Kurnaz sowohl in dem US-Gefangenenlager im afghanischen Kandahar als auch in Guantánamo aufgesucht habe.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte: "Wir alle stehen unter dem Eindruck der Schilderungen von Herrn Kurnaz." Der Grünen- Abgeordnete Winfried Nachtwei teilte mit, der aus Bremen stammende Türke habe berichtet, er sei nach seiner Verschleppung von Pakistan nach Afghanistan im Januar 2002 über mehrere Tage immer wieder an Ketten aufgehängt worden. Damit er daran nicht sterbe, habe ein Arzt ihn auf "Folterfähigkeit" geprüft. Paul Schäfer von der Linksfraktion sagte, laut Kurnaz hätten Häftlinge bei minus zehn Grad nackt und angekettet in Zelten zugebracht.

Vorwürfe gegen Elite-Soldaten

Kurnaz-Anwalt Bernhard Docke sagte, nach den Schilderungen seines Mandaten seien die Misshandlungen für alle im Lager ersichtlich gewesen. Schäfer nannte es "plausibel", dass auch die in dem Lager als Wachsoldaten eingesetzten deutschen Elite-Soldaten davon wussten. Kurnaz wirft zwei deutschen Elite-Soldaten vor, ihn getreten und gegen den Kopf geschlagen zu haben.

Docke sagte, an die deutschen Geheimdienste stelle sich die Frage, warum Kurnaz von Kandahar überhaupt nach Guanánamo gebracht wurde. Bereits im Januar 2002 hätten US-Soldaten Informationen aus dem Bremer Umfeld von Kurnaz gehabt, etwa dass er sein Handy verkauft hatte und welche Kontobewegungen es gab. Möglicherweise sei nach Kontakten mit deutschen Stellen für die Amerikaner der falsche Eindruck entstanden, sie hätten einen "dicken Fisch" an Land gezogen. Der Rote-Kreuz-Vertreter habe Kurnaz sowohl 24 Stunden nach seiner Ankunft in Kandahar als auch später in Guantánamo aufgesucht.

Kritik an Steinmeier

Die FDP-Politikerin Elke Hoff kündigte an, auch Vertreter des Roten Kreuzes würden gehört werden. Es müsse auch geklärt werden, mit welcher Kenntnis, Billigung oder Teilnahme die Bundesregierung etwas geschehen sei. Der Vorsitzende des Untersuchungsgremiums, Karl Lamers, sagte, der Ausschuss werde ein halbes Jahr arbeiten.

Der Fall Kurnaz könnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Ansicht der Opposition noch in Bedrängnis bringen. Der Obmann der Linksfraktion im BND-Untersuchungsausschuss, Wolfgang Neskovic, warf Steinmeier eine schwere Verletzung der Menschenwürde vor. Sollte der Minister keine überzeugenden Argumente dafür haben, warum in seiner Zeit als Kanzleramtschef von Rot-Grün ein Einreiseverbot für Kurnaz erlassen wurde, habe er in seinem jetzigen Amt "nichts mehr zu suchen". Der BND-Ausschuss hört an diesem Donnerstag Kurnaz und Docke an. Kurnaz war rechtswidrig ohne Prozess von 2002 bis 2006 in Guantánamo inhaftiert. (tso/dpa)

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